Tiere und Pflanzen des Jahres 2012

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
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Ute Hahn
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Tiere und Pflanzen des Jahres 2012

Beitragvon Ute Hahn » 7. Nov 2012, 09:40

Beitrag aus der AG übernommen!

Der Hirschkäfer – Lucanus cervus

Wissenswertes: Der Hirschkäfer ist unsere größte einheimische Käferart. Die Art weist einen ausgeprägten Geschlechtsdimorphismus auf.

Merkmale: Das bis zu 75 mm lange Männchen ist mit seinen großen, rötlich-schwarzen Kieferzangen unverkennbar und allgemein bekannt. Die Flügeldecken des bis zu 40 mm langen Weibchen sind meist rötlich, es gibt allerdings auch ganz schwarze Tiere. Die Flügeldecken sind fein lederartig strukturiert und weisen an den Rändern deutliche Hochwölbungen auf. Das ebenso wie die Elytren strukturierte Halsschild hat nach 2/3 vom Kopf aus einen Knick von außen kommend auf die Flügeldecken zu. Es ist in der Regel schwarz gefärbt. Der breite Kopf ist mit zwei kräftigen Zangen ausgestattet, oft kann man die gelblich rote Zunge erkennen. Zwischen den drei Körperteilen kaqnn man meistens gelbliche Haut und Härchen durchschimmern sehen.

Bevorzugter Lebensraum, Vorkommen: Der Käfer ist in ganz Mitteleuropa anzutreffen. Er kommt in alten Eichenwäldern bzw. alten eichenreichen Laubwäldern vor. Jedoch wurden die Käfer auch schon in Gärten mit alten Baumbestand und auf Rindenmulchhaufen gesehen.

Lebensweise: Die Imagines werden ca. 4-6 Wochen alt, in dieser Zeit ist ihre Hauptaktivität darauf ausgerichtet, sich einander zu finden und zu paaren. Früher dachte man daran, dass das Weibchen, sobald es eine Futterstelle gefunden hat, einen Baum (bevorzugt Eiche), welcher ein Saftmal hat, Pheromone aussendet, um ein Männchen anzulocken. Tatsächlich werden die Geschlechter jedoch gleichermaßen vom Saft der Bäume angelockt und treffen sich dort. Die Pheromone funktionieren nur auf eine Entfernung von ca. 2 Metern. Beide Geschlechter fliegen. Die Männchen der Art tragen, wenn sie sich begegnen, Kämpfe um das Weibchen aus. Gleich nach der Paarung der Käfer sucht das Weibchen einen Platz zur Eiablage. Gesucht werden vom Weibchen alte Laubbaumstämme, bzw. Wurzelstümpfe (auch hier bevorzugt Eichen, aber auch andere Laubbaumarten). Hierbei verliert das Weibchen sehr viel Energie, so dass meist Bäume in unmittelbarer Nähe aufgesucht werden, nicht selten der eigene Brutbaum. Hier gräbt sich das Weibchen bis zu einem Meter tief ein, erreicht jedoch meist eine Tiefe von 30-50 cm Tiefe. Hier legt es 12-14 Eier an die Wurzel. Die Larven schlüpfen und fressen sich ins Holz der Wurzel. Innerhalb von fünf, seltener sechs Jahren oder länger hat die Larve eine Größe von annähernd zehn Zentimetern erreicht. Dann, im Herbst, verlässt die Larve das Holz, gräbt sich im Boden ein und verpuppt sich dort. Der Käfer schlüpft bereits im herbst, überwintert jedoch noch in der Puppenwiege und kommt erst im kommenden Jahr an die Oberfläche. Die anfangs wehrhaften Männchen haben als FressfeinDe insbesondere Spechte. Sie sitzen lange Zweit auf dem Weibchen (bis zu drei Tage) und schützen dieses so vor Fressfeinden. Die Männchen verteidigen sich zwar auch erfolgreich gegen Spechte, sind jedoch während der Paarung oft unachtsam und später, je nach Alter des Saftmales, vom durch Gährung entstandenen Alkohol getrübt, was sie dann zur Beute werden lässt. Das Weibchen lässt sich in diesen Fällen oft fallen und überlebt.

Aktivitätsmaximum: Juni – Juli , regional unterschiedlich, klimabedingt.

Rote Liste Deutschland; Schutz: Der Käfer steht unter Naturschutz (§ 1 Anlage 1 Bundesartenschutzverordnung). Allgemein wird er auf der Roten Liste auf Platz 2 (stark gefährdet)geführt.

Besonderheiten: Bestandsrückgang: Lange Zeit ging man davon aus, dass das Ausräumen der Wälder vom Totholz der Hauptgrund für den Rückgang der Art ist. Zweifelhaft ist jedoch daran, dass die Larve des Käfer gar nicht auf überirdisches Holz angewiesen ist, sondern sich vielmehr nur in den unterirdischen Teilen der Bäume, sprich in der Wurzel aufhält. Und Stümpfe waren und sind immer vorhanden.
Es wurde jedoch festgestellt, dass die Baumstümpfe einen bestimmten Verrottungsgrad, hervorgerufen durch bestimmte, holzzersetzende Pilze , benötigen. Diese Pilze jedoch können sich in den heutigen Stümpfen kaum entwickeln, da der Gerbsäureanteil in den Stümpfen zu hoch ist. Dies liegt wiederum daran, dass mittlerweile fast nur noch zur Winterzeit Bäume gefällt werden bzw. kranke Bäume bereits vor dem Absterben aus Verkehrssicherungsgründen im Winter entfernt werden. Diese Maßnahme, welche unter anderem dem Vogelschutz und Naturschutz dient, führt dazu, dass von den vorhandenen Stümpfen 99% vollkommen ungeeignet sind. Inzwischen gibt es Ansätze, künstliche Brutstätten einzurichten, indem dickes, geeignetes Holz, im Boden versenkt und gegen Räuber, wie z.B. dem Wildschwein, geschützt wird.
Anscheinend kommt es aufgrund der wenigen vorhandenen, geeigneten Brutstümpfe auch teilweise dazu, dass das Weibchen bei der Suche (und dem Graben an die Wurzel) vor Erschöpfung oder Legenot eingeht und die Eier absterben. Eine mehrfache Eiablage, wie sie ansonsten durchaus möglich ist, findet so nicht statt.

Verwechslungsgefahr: Das Männchen ist unverwechselbar. Das Weibchen kann mit dem männlichen Balkenschröter (Dorcus parallelopipedis) verwechselt werden. Zu unterscheiden sind diese dadurch, dass Flügeldecken beim weiblichen Hirschkäfer regelmäßig rötlich gefärbt sind, einen deutlich stärker gewölbten Flügeldeckenrand aufweisen und eine lederartig strukturierte Oberfläche haben (im Gegensatz dazu ist beim Balkenschröter die Oberfläche stark punktiert, der Käfer ist insgesamt deutlich flacher). Zudem weist das Halsschild des Hirschkäferweibchens einen starken, sich zu den Flügeldecken hin verjüngenden Knick auf. Dieser ist deutlich weicher beim Balkenschröter und nicht so markant.


Bild von Danijel
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Beitragvon piper » 7. Nov 2012, 10:02

Hallo Ute,

vielen Dank für diese ausführliche Artenvorstellung!
Da hast Du Dir ja richtig viel Arbeit gemacht. :DH: :good: :clapping:
Ich finde das ganz große Klasse und habe wieder etwas gelernt.
Danijels Bild dazu ist erste Sahne. Herrlich wie der
Panzer leuchtet.

An Euch beide ein großes Kompliment!
Liebe Grüße Ute

Die Freude am Kleinen ist die schwierigste Freude, denn es gehört ein großes Herz dazu.
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Beitragvon Ute Hahn » 7. Nov 2012, 10:06

Hallo Ute :D

ich hab keine große Arbeit gehabt. Das Kompliment muss ich weitergeben an ???
Nur c&p war mein Anteil daran, leider weiß ich nicht, wer den Beitrag in der AG verfasst hat -
aber ich find ihn auch klasse und Danijels Bild ebenso.

Gruß Ute

Ps wir sehen richtig gut aus im Doppelpack ;)
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Beitragvon StefH » 7. Nov 2012, 10:19

Hallo,
der Hirschkäfer ist ein absolut faszinierenes Tier.
Danke auch für das informative Artenportrait in der AG.

Bei uns in der Nähe gibt es noch ein größeres Vorkommen, seit der Truppi stillgelegt ist, nimmt die Anzahl der Käfer allerdings ab (die Panzer im Wald fehlen).
Viele Grüße von Stefanie
Olympus OMD und Panasonic G6 mit m.zuiko 60/2.8 und Olympus Stylus1 mit Raynox DCR-150/250 und MSN-202

http://stefanie-hamm.de/
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Beitragvon Christian Zieg » 7. Nov 2012, 10:54

Hallo Ute,

danke für das Einstellen dieses super interessanten Beitrags. Ich habe den Hirschkäfer in dem Film "Das grüne Wunder" gesehen und fand die Aufnahmen einfach klasse Und faszinierend. Daraufhin hatte ich mir vorgenommen, ihn im nächsten Jahr zu suchen. Dieser Plan ist schon wieder in Vergessenheit geraten, aber durch den Beitrag hast Du mich daran erinnert. Danke dafür nochmal.

Gruß, Christian
Ihr findet mehr meiner Fine Art Bilder auf meiner Webseite, die über die Namenssuche im Netz zu finden ist.
Zusätzlich findet man mich bei einem zu einem "sozialen Netzwerk" gehörigen Bilder-Netzwerk, auch mit meinem Namen, nachdem ein Punkt kommt und dann das Wort "fineart"

Die Möglichkeiten der deutschen Grammatik können einen, wenn man sich darauf, was man ruhig, wenn man möchte, sollte, einlässt, überraschen
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Beitragvon Goldauge » 9. Nov 2012, 10:27

das hatte ich ja gar nicht mitbekommen, daß der Hirschkäfer auch ein Tier des Jahres ist/war...

und vor allem wußte ich nicht - oder habe es vergessen - daß die Larven in den unterirdischen Teilen des Baumstumpfes leben - ich dachte immer, herumliegende Baumäste (bevorzugt Eiche) reichen .....
(weshalb wir hier immer so etwas liegen lassen in einem Teil des Gartens...... wird anderen Tieren nützen...);)

Bei uns hier in Mittelhessen, mitten in der Stadt und in unserem Garten tauchen seit Jahren jeden Sommer mal mindestens 1-2 Hirschkäfer, männlich+weiblich, auf. Ich wüßte natürlich zu gerne, wo genau die sich vermehren - es gibt in ca 200-300m Luftlinie ein Stück Stadtwald, der naturbelassen ist ...
aber warum treffen die sich dann hier im Garten?

ich liebe die - und wenn sie in ihrer unvergleichlich schwerfälligen Art fast senkrecht über die Terrasse schweben ist für mich der Sommer perfekt.... :)
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Beitragvon Goldauge » 9. Nov 2012, 11:04

hier>>>>> http://www.makro-forum.de/fpost430710.html#430710
gab es von mir mal Hirschkäfer-Weibchen zu sehen - von der Aufnahmequalität nicht so toll, paßt aber hier vielleicht hin.... da auch die nahe Verwandtschaft, die Balkenschröter, zu sehen sind.....


und hier noch von heute:
>>>>>>> http://www.makro-forum.de/ftopic80738.html
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Beitragvon mischl » 9. Nov 2012, 20:08

Hallo,

danke für diesen tollen Beitrag mit den Infos zu diesem tollen Tier.
Ich habe das große Glück diesen imposanten Käfer eigentlich jährlich bei uns im nahegelegenen Wald
oder in einem Waldgebiet am nicht allzu weit entfernten Rhein anzutreffen.
Die machen schon ganz schön krach, wenn sie durchs Unterholz brechen. Am Rhein kam ich an einer
Eiche vorbei und habe mich zuerst über schabende/kratzende Geräusche gewundert, bis ich dann bei
genauem Hinsehen min. 5 dieser Kerle im Baum herumklettern sah.
Faszinierend finde ich den Flug der Männchen mit ihren schweren Zangen.

Gruß
Mischl
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Beitragvon Ajott » 10. Nov 2012, 00:53

Hallo Ute,

danke für diesen Thread. Boah, so einen Hirschkäfermann würde ich auch zu gerne mal sehen. Im Frühjahr finden sich regelmäßig Balkenschröter in meinem Garten ein.. das ist aber nur ein unzureichender Ersatz. Naja, irgendwann....
Danke auch danjiel für das schöne Bild.

liebe Grüße
Aj
Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.

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