Hallo zusammen,
die eindeutige Bestimmung von Orchideen ist in vielen Fällen schon nicht einfach,
Hybride erschweren das noch. Ich möchte mal versuchen das Prinzip der Hybridisierung
bei Orchideen, anhand zweier (sehr ähnlicher) Beispiele, zu erklären.
Was ist Hybridisierung oder was sind Hybride?
Hybride entstehen bei der Kreuzung zweier "Eltern" unterschiedlicher Arten. Bei
Orchideen unterscheidet man zwischen:
Interspezifischen Hybriden - Die Eltern gehören der selben Gattung an aber unterschiedlichen Arten innerhalb dieser Gattung.
Intergenerische Hybriden - Die Eltern gehören unterschiedlichen Gattungen und natürlich unterschiedlichen Arten an.
Oftmals gestaltet sich die Identifikation eines Hybriden als solchen recht schwierig,
eindeutig ist das nur möglich wenn der Hybrid sowohl Merkmale des einen, als auch
des anderen Elternteiles aufweist.
Hybride können (ähnlich wie bei Esel und Pferd) steril sein, oder aber auch fertil,
was zu Rückkreuzungen mit den Eltern führt und die Merkmale verwischen lässt.
Zudem lässt sich bei den Hybriden oft etwas beobachten das man Heterosiseffekt bezeichnet,
in diesem Fall sind die Hybride größer und stabiler als die jeweiligen Eltern.
(siehe Bild 3: Orchis purpurea x Orchis militaris in beachtlicher Größe mit sehr stabilem
Stängel und sehr großem Blütenstand)
Die Frage ist nun wie kommt es überhaupt zur Hybridisierung und warum schützen sich
die Arten nicht dagegen?
Die Schutzmechanismen gegen Hybridisierung sind mannigfaltig, denn es ist ja durchaus
im Interesse einer Art sich genetisch von anderen zu isolieren und so stabile Populationen zu bilden.
Ganz grundsätzlich unterscheidet man präzygotische (vor der Befruchtung) und postzygotische
(nach der Befruchtung) Schutzmechanismen.
Präzygotische Schutzmechnismen sind unter anderem:
- geografische (hört sich banal an ist aber durchaus wichtig, eine Pflanze in Rom bestäubt ehr selten eine in Moskau)
- ökologisch (hört sich auch banal an, aber eine Pflanze im Moor wird tendenziell nichts mit einer auf einem Kalkmagerrasen zu tun haben)
- phänologisch (wieder banal, aber eine Art die im Mai blüht, bestäubt nur schwer eine die im August blüht)
- ethnologisch (das ist schon interessanter, hat sich eine Art auf bestimmte Bestäubet spezialisiert und eine andere auf andere
Bestäubet, wird da auch kaum eine Kreuzung zu Stande kommen. Z.B. eine Art wird nur von Schmetterlingen bestäubt,
die andere nur von Grabwespen … Ihr wisst worauf ich hinauswill)
Postzygotische Schutzmechanismen:
Das ist auch trivial. Wenn also ein artfremder Pollen auf die Narbe eine Art trifft (also alle
päzygotischen Mechanismen überwunden hat) und tatsächlich keimt können Embryonen gebildet werden.
Diese sind aber natürlich nur dann lebensfähig wenn genetisch alles passt.
Jetzt zu den beiden Beispielen die Ihr auch im Bild seht.
Beispiel 1) Spinnen-Ragwurz mit Fliegen-Ragwurz
Beispiel 2) Kleine Spinnen-Ragwurz mit Fliegen-Ragwurz
In der Fachliteratur findet Ihr dann folgende Schreibweise:
Beispiel 1) Ophrys insectifera x O. sphegodes
Beispiel 2) Ophrys insectifera x O. sphegodes ssp. araneola
Verkompliziert wird das dadurch, dass teilweise für die Hybriden eigene Namen gefunden wurden,
ich finde das aber völlig albern und finde es wesentlich transparenter wenn man einfach die Eltern
mit einem "x" verbindet.
Welche Schutzmechanismen versagen nun bei den gezeigten Hybriden?
Alle drei Arten überschneiden sich in den Vegetationsphasen, kommen im gleichen Biotop vor und
überschneiden sich geografisch signifikant. Postzygotische Schutzmechanismen greifen offensichtlich
auch nicht wirklich, ansonsten könnte ich die Bilder nicht zeigen. Eigentlich kann bei den gezeigten
Arten also nur der ethnologische Schutzmechanismus greifen.
Gerade die Ragwurzen eigenen sich ganz wunderbar um diesen Schutzmechanismus zu erklären.
Wie vielleicht viele von Euch wissen sind alle Ragwurzen Sexualtäuscher. Sie bieten potentiellen
Bestäuben also kein Nektar oder andere Leckerli um eine Bestäubung zu provozieren, sondern sie
geben sich als das Weibchen bestimmter Insekten aus und verlassen sich darauf, dass Sex einfach
zieht und Männchen auf die Täuschung hereinfallen.
Sie spezialisieren sich also z.B. im Aussehen und Geruch extrem um attraktiv für Männchen bestimmter
Arten zu erscheinen. Die Männchen der "Zielgruppe" vollführen nun also etwas das "Pseudokoppulation"
genannt wird mit einer Blüte und bekommen die Pollinarien (jede Blüte hat nur 2 Stück) an den Kopf
geheftet. Irgendwann setzt der Frust ein und das Männchen sucht sich eine andere Blüte, pseudokoppuliert
wieder und vollzieht jetzt tatsächlich eine Bestäubung.
Anscheinend sind aber die Bestäuber nicht so wählerisch wie die Ragwurzen gedacht haben und es
kommt zu Überschneidungen aus denen dann die gezeigten Hybride resultieren.
Allerdings gibt es auch sogenannte "Naturfreunde" die die Hybridisierung von Hand herbeiführen
und Pflanzen "kreuzbestäuben". Klar ist, dass Hybride seltener als die Eltern-Arten sind und offensichtlich
ist der Wunsch spektakuläre Abarten zu schaffen bei vielen "Orchideenfreunden" sehr groß.
Problematisch ist aber, dass Hybride oft widerstandsfähiger und besser angepasst sind als die Eltern
und diese dann aus den Biotopen verdrängen. Es ist mir wirklich ein Anliegen hier ein wenig aufzuklären,
dass man gerade bei so fragilen und hochspezialisierten Pflanzen wie Orchideen nicht dem Drang
nachgibt Gott zu spielen!
Erklärung zu den Bildern und Bestimmung der Hybride:
Beispiel 1) Spinnen-Ragwurz mit Fliegen-Ragwurz
Links Spinnen-Ragwurz
Rechts Fliegen-Ragwurz
Mitte Ophrys insectifera x O. sphegodes
Die Merkmale die die Bestimmung hier recht einfach machen sind:
Von O. insectifera kommen:
- die dunkelroten stiftartigen Pedalen (die beiden oberen Blütenblätter links und rechts)
- die Flügelchen an der dunkelroten Lippe
Von O. sphegodes kommen:
- das metallische Mal auf der Lippe
- die Wölbung der Lippe nach außen
Beispiel 2) Kleine Spinnen-Ragwurz mit Fliegen-Ragwurz
Links Spinnen-Ragwurz
Rechts Fliegen-Ragwurz
Mitte Ophrys insectifera x O. sphegodes
Die Merkmale zur Bestimmung sind identisch mit denen aus Beispiel 1. Allerdings sind die
Flügelchen nicht so ausgeprägt.
Dass hier die Kleine Spinnen-Ragwurz und nicht die "normale" Spinnen-Ragwurz beteiligt ist
erkennt man vokalem am Verhältnis der Lippe zu den restlichen Blütenblättern, sie ist wesentlich
kleiner als bei Beispiel 1. Außerdem ist der etwas hellere Rand der Lippe ein Hinweis auf die
Kleine Spinnen-Ragwurz die etwas von Ihrem grellgelben Rand mit einbringt.
Ich hoffe der lange Text hat Euch nicht erschlagen und Ihr konntet einige interessante Infos finden.
lg
Flo
Hybride bei Orchideen
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Heterosiseffekt bei O. purpurea x O. militaris - militarisXpurpurea.jpg (262.82 KiB) 3544 mal betrachtet
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Hi Flo!
Da warst Du echt fleißig - so detailliert und verständlich und zudem anschaulich bebildert hat mir die natürliche Hybridisierung noch niemand auseinandergedröselt. Respekt und vielen Dank hierfür!
LGr
Wolfram
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Orchis x angusticruris (Orchis purpurea x simia)
da hänge ich mich doch mal an deine sehr gute und wertvolle Doku dran, Flo,
und zeige eine auch nicht so häufige Hybride zwischen
Orchis purpurea und Orchis simia.
Gruss
Otto
und zeige eine auch nicht so häufige Hybride zwischen
Orchis purpurea und Orchis simia.
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