1. Grundinformationen zum Thema

von Jürgen Fischer

Die beeindruckende Fähigkeit mit seiner Umwelt zu verschmelzen ist nicht selten die einfachste Lösung, um dem scharfen Blick eines Beutegreifers oder Fotografen zu entgehen. Nicht immer ist die Tarnung dabei auf optische Signale beschränkt, sondern auch akustische und chemische Täuschungsmanöver kommen zum Einsatz. Wer hier reinschaut, wird sich kaum noch wundern, dass manche Motive schwer zu entdecken sind.

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Artengalerie
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1. Grundinformationen zum Thema

Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 22:16

Grundvoraussetzung für das Existieren einer Art ist das möglichst lange Überleben einer ausreichenden Zahl von Individuen der Art. Im Idealfall bis zur Reproduktion.
Um dieses Ziel zu erreichen haben sich bei allen Lebewesen im Laufe ihrer Evolution bestimmte Strategien entwickelt, die man als Schutzanpassungen bezeichnen kann.
Tarnung ist eine dieser Schutzanpassungen, die dazu beiträgt den Selektionsdruck auf ein Lebewesen und die Art dem es angehört, herabzusetzen.
Unter Tarnung versteht man allgemein, alle Maßnahmen und Eigenschaften, die es einem Lebewesen erlauben, in seiner Umwelt nicht aufzufallen. Daraus erzielt ein Tier in der Regel Selektionsvorteile in Hinblick auf seine potenziellen Fressfeinde, aber auch in Hinblick auf seinen eigenen "räuberischen" Nahrungserwerb.

Am Beispiel des "Wandelnden Blattes", einer tropischen Gespensterschrecke (Paradebeispiel für Mimese), kann man gut exemplarisch verschiedene Möglichkeiten der Tarnung aufzeigen. (Eine Vollständigkeit der Möglichkeiten wird hier nicht angestrebt):

Zunächst liegt eine einfache Farbanpassung vor. Da sie nur wirksam ist, wenn das Tier sich in der entsprechend gefärbten Umgebung aufhält, spricht man von einer passiven Tarnung. Könnte das Tier selbst Einfluss auf seine Tarnfärbung nehmen wäre diese aktiv (z.B. "Veränderliche Krabbenspinne")
Derartige passive oder aktive Anpassungen können nun auch in Hinblick auf die Körperoberfläche, die Struktur, bestimmte Male und natürlich auch auf die Körperform bezogen, auftreten. Das Wandelnde Blatt besitzt Flügeladern, die Blattadern täuschend ähnlich sehen, Alterungsflecken oder auch Fraßspuren am Körper. Selbst die Beine sind blattartig verbreitert.
Ist diese Anpassung so gut, dass die Konturen des Tieres auf seinem Untergrund verschwimmen, sich der Körper sozusagen im Nichts auflöst, so spricht man von Somatolyse. (Fellflecken des Rehkitzes im Waldversteck, Streifen des Tigers im Grasland)
Ist der Effekt der, dass das Tier durch seine Schutzanpassung sogar mit Teilen seiner Umgebung verwechselt werden kann, so spricht man von einer Mimese. Dabei kann man unterscheiden:
  • Zoomimese (Ähnlichkeit mit Tieren)
  • Phytomimese (Ähnlichkeit mit Pflanzen)
  • Allomimese (Ähnlichkeit mit leblosen Gegenständen)

Beim Wandelnden Blatt liegt nun logischerweise eine Phytomimese vor, die Ähnlichkeit mit einem Blatt ist in allen Belangen verblüffend!

Ein entscheidender Aspekt ist bei der Tarnung, dass sie vom Verhalten her glaubwürdig rüberkommt. Ein am Tage herumlaufendes Wandelndes Blatt, hat keine Chance als Blatt durchzugehen. Deshalb bleiben sie meist ruhig sitzen und wackeln nur wie ein Blatt im Wind!

Bei allen morphologischen und auch den meisten verhaltensbestimmenden Tarnanpassungen muss man immer bedenken, dass sie nicht in der Absicht und der Bewusstseinsebene der Gliederfüssler liegen, sondern das Ergebnis einer Millionen Jahre währenden Evolution sind, gesteuert durch Mutation und Selektion und verankert im Erbmaterial der Lebewesen.


Beitragsersteller: Jürgen Fischer (AGEID723)
Fotograf:
Jürgen Fischer (AGFID723)
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