Speispinne - Scythodes thoracica

Autor und Fotograf: Jürgen Fischer

An dieser Stelle picken wir uns einige ausgewählte Tiere und Pflanzen heraus und verfolgen ihren Lebenslauf oder einen bedeutsamen Teil davon. Denn oft enthüllt sich erst beim intensiveren Blick auf eine Lebensform, wie perfekt sie an ihr Leben angepasst ist und wie sie es versteht, ihre ganz eigene Nische in der Welt, in der sie lebt, auszufüllen.

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Speispinne - Scythodes thoracica

Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 21:07

Die Aufnahmen sind während einer Langzeitbeobachtungen im Lauf eines Jahres entstanden.

Das Bild zeigt den Akteur, die Speispinne Scythodes thoracica. Die Art gehört zu einer vorwiegend tropisch verbreiteten Familie, nur zwei Arten haben es nach Europa geschafft, nur die eine bis nach Deutschland! Im Mittelmeerraum lebt die 4-6mm große Spinne im Freien unter Steinen, bei uns nur synanthrop in Häusern. Das Bild zeigt sie also in ihrer für uns natürlichen Umgebung, sie bevorzugt anscheinend ältere Häuser mit großem Holzanteil. Ihre Verbreitung im Bundesgebiet ist sehr lückenhaft und jeder Arachnologe freut sich über eine Begegnung mit ihr.
Auffallend ist der große Vorderkörper und das lyraförmige Zeichen auf der Prosomaoberseite ("Rücken").


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Speispinne - Scythodes thoracica

Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 21:17

Im Portrait sieht man eine Besonderheit unter den Spinnen: Scythodes hat nur 6 Augen! Diese sind allerdings recht schwach, die Spinne orientiert sich fast ausschließlich taktil und durch feine "Hörhaare", die Luftschwingungen registrieren! Auffallend auch, dass die Mundwerkzeuge sehr schwach ausgebildet sind! Trotzdem ist die kleine Spinne ein ausgezeichneter Jäger!

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Speispinne - Scythodes thoracica

Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 21:27

Das Bild zeigt sie nach erfolgreicher Jagd. Das Opfer wird nachts in einem schleichenden Jagdzug aufgespürt und in einem Abstand von 0,5-2 cm kommt nun die besondere Waffe der Spinne zum Tragen. Sie spuckt nämlich aus ihren Kieferklauen (Cheliceren) einen Leimfaden aus, der in einer spezialisierten Drüse im Prosoma erzeugt wird. Die Fäden überziehen das Opfer in einer zickzackförmigen Anordnung und kleben es förmlich am Untergrund fest. Die Leimfäden sind gut am Opfer zu sehen. Diese Art des Beutefangs ist einzigartig unter den mitteleuropäischen Webspinnen!

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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 21:37

Nach dem Fixieren, erfolgt dann oft der Giftbiss in die wehrlose Beute. Die hier erbeutete Fliege, war bei der Aufnahme allerdings wohl schon etwas länger tot, sodass es sich hier wohl schon um den Fressakt handelte. Gut zu erkennen sind in dem Bild und auch in Bild 3, die langausgezogenen, in der Basis ballonförmigen Endglieder der Pedipalpen (Kiefertaster) der Spinne, die uns zeigen, dass es sich um ein adultes Männchen der Speispinne handelt. Wir werden diese Organe noch im Einsatz sehen!

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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 21:47

Die Paarung bei Spinnen ist häufig ein riskantes Unterfangen für die Männchen! Nicht so bei der Speispinne. Ich hab selten einen kleinen Spinnenfreier gesehen, der so zielstrebig und dominant zur Sache ging! Mir persönlich sind auch keine Literaturangaben zur Paarung geläufig und Bilder zur Paarung dürften auch noch nicht allzuoft gemacht worden sein.
Der kleine Wicht geht sofort zum "Angriff" über und während die Dame in eine Art Trance verfällt trommelt er mit den Vorderbeinen auf den Kopf der Angebeteten ein. Dieser "liebevolle, zärtliche Balzakt" dauert ca 30 sec. und während er dabei am ganzen Körper zittert und kaum zu beruhigen ist, lässt sie die Zeichen seiner Zuneigung mit "erstarrter" Gelassenheit über sich ergehen.


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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 21:57

Durch mehrere Trommelwirbel auf den Kopf ward die Maid gefügig gemacht! Und nun kam eigentlich die Hauptarbeit. Der kleine musste die wesentlich größere Dame "hochbocken" um an sein Ziel zu gelangen. Ist er weit genug unter den Körper des Weibchens gerutscht, versucht er mit seinen Kiefertastern (Pedipalpen) die weibliche Geschlechtsöffnungen (sie hat zwei) zu erreichen. Diese befinden sich ungefähr dort, wo im Bild die Augenpartie des Männchens zu sehen ist.
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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 22:07

Die Kopula dauert mehrere Minuten und lässt Zeit zur genaueren Beobachtung! Die stillettartigen Anhänge der Kiefertaster sind in der sklerotisierten Vulva verschwunden, sie passen ausschließlich dort rein (Schlüssel-Schloß-Prinzip). Durch einen Pumpmechanismus der blasenähnlichen Gebilde werden die Spermien in die weibliche Geschlechtsöffnung befördert! (Der aufmerksame Beobachter fragt sich vielleicht, wie überhaupt Spermien in die Kiefertaster des Männchens gelangen. Produziert werden diese ja auch im Hinterleib des Männchen, müssen dann also in einer Art Masturbationsakt von den Kiefertastern wie mit einem Füllfederhalter aufgenommen werden.) Dazu hab ich leider nur Bilder bei einer Vogelspinne-zeig ich ein andermal!

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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 22:17

Das Ergebnis des Techtelmechtels ist dann 5-6 Wochen später zu bewundern. Madame Speispinne trägt einen Eikokon mit ca. 20 -30 Eiern durch die Gegend und bewacht und beschützt ihn. Dass sie dabei sehr stolz wirkt, liegt nur daran, dass sie ihn stets unter ihrem Körper trägt und deswegen sehr hochbeinig durch die gegend stolziert! Nur bei der Nahrungsaufnahme lässt sie ihn wohl auch mal aus den "taktilen" Augen. Der Kokon erinnert sehr an die Machart der Kokons bei Zitterspinnen!

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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 22:17

Oft sind eiertragende oder die jungenbeschützende Spinnenweibchen für die Männchen tabu, ja sogar lebensgefährlich! Nicht bei der Speispinne. Ich konnte noch einige Verpaarungen beobachten, bei denen das Weibchen bereits mit dem Kinderwagen unterwegs war.

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Beitragvon Artengalerie » 18. Jul 2017, 22:17

Nach 2-3 Wochen Kokontragezeit schlüpfen dann die Spiderlinge aus den Eiern und ernähren sich noch eine Weile vom eigenen Dottersack. Sie sind zu dem Zeitpunkt nicht größer als ein doppeltes Sandkörnchen. Danach verlassen sie die Mutter und die leeren Kokonreste und suchen sich ein eigenes Revier im Haus! Die Mutter selbst kann mehrere Kokons nacheinander produzieren, sie werden allerdings nach meiner Beobachtung kleiner und enthalten weniger Eier!

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