Seite 1 von 1

Gebt dem Wegrand eine Chance

Verfasst: 9. Okt 2017, 19:23
von Artengalerie

Autor und Fotograf:
Ajott (AGFID6829)
Information::
Gebt dem Wegrand eine Chance!
Ein Plädoyer für die Wegrandfotografie!

mit diesem Beitrag möchten wir eine Lanze für die Fotografie am Wegesrand brechen. Während die fotografischen Qualitäten bestimmter Habitate vielen Fotografen durchaus bewusst sind, scheinen Weg- und Habitatränder eher stiefmütterlich behandelt zu werden. Öd, trist und nutzlos wirken diese langgestreckten Lebensräume auf den ersten Blick. Oft wird dort nicht viel Leben vermutet, weshalb diese Zonen von Fotografen häufig keines weiteren Blickes gewürdigt werden auf dem Weg in die angrenzende Fläche. Dabei bieten diese Randbiotope oft eine reizvolle Motivvielfalt.

Randzonen von Wäldern und Wiesen sind häufig besonders artenreich. Der abrupte Wechsel der Lebensraumeigenschaften schafft einerseits eine natürliche Ausbreitungsbarriere, an der sich Arten der angrenzenden ebensräume drängen und gemeinsam vorkommen können. Zugleich bieten die lichtreicheren und offeneren Verhältnisse spezielle Bedingungen für zusätzliche Saumarten, die im Wald oder der Wiese selber nicht orkommen. Damit sind diese schmalen Saumbiotope oft artenreicher, als die angrenzenden Habitate. Nachweislich können in manchen dieser Lebensräume hunderte verschiedener Tierarten gefunden werden.

Wegränder oder Biotopsäume können aber nicht nur Ausbreitungsbarrieren sondern auch das genaue Gegenteil sein. Wegrandbegrünungen an Straßen und Wegen bilden unter anderem natürliche Ausbreitungsmöglichkeiten für viele Arten. In einer zersplitteten Landschaft können Wegränder so die nötige Vernetzung von Lebensräumen und damit den Individuenaustausch zwischen ihnen gewährleisten.
Diese sich ausbreitenden Arten können dann entsprechend ebenfalls am Wegrand gefunden werden.

Säume, Dämme und Randbegrünungen bilden Refugien für sonst in unserer Landschaft selten gewordene, konkurrenzschwache Arten magerer und trockener Standorte. Im Gegensatz zu vielen Gründflächen und Wiesen entgehen diese Grünstreifen oft einer gezielten Düngung und können damit Arten nährstoffarmer Standorte einen Lebensraum bieten. Auch Arten trockener und warmer Lebensräume finden in den offenen Randzonen oftmals gute Lebensbedingungen vor.

Auch speziell für den Makrofotografen bieten sich hier besondere Verhältnisse. Pfade und Wege ermöglichen ein bequemes Vorankommen, das nachhaltig negative Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt minimieren kann. Auch in der größeren Gruppe auftretende oder regelmäßig wiederkehrende Fotografen können von diesen Lebensräume gut abgefangen werden. Sie gewährleisten zudem auch einen guten Überblick und oftmals optimale fotografische Bedingungen. Motive können oft leicht ausgemacht werden und eine Freistellung ist in vielen Situationen schon natürlicherweise gegeben.

Gebt dem Wegrand eine Chance

Verfasst: 10. Okt 2017, 19:07
von Artengalerie





Autor und Fotograf:
Ajott (AGFID6829)
Bildtitel:
Der Weg ist das Ziel - verkannte Makroreviere
Aufnahmeland:
Deutschland
Bundesland/Kanton:
Ostvorpommern
vorgefundener Lebensraum:
Wegrand
Information von Ajott:
Es ist Sommer. Zumindest mancherorts brummt die Hitze und draußen brummt und summt es an jeder Ecke. Die Hoch-Zeit der Makrofotografie ist in vollem Gange. Genau der richtige Zeitpunkt, um diesen etwas angestaubten aber nach wie vor sehr aktuellen Thread aus gegebenem Anlass wiederzubeleben. Auch zwei Jahre später entstehen die allermeisten meiner Bilder vom Weg aus. Entsprechend gibt es auch mal wieder Nachschub für diesen Thread.

Einige meiner liebsten Habitate liegen im Wald. Je nach Bewuchs und Ausrichtung bieten die verschiedenen Wege und Pfade im Wald ganz unterschiedliche Lebensräume. Eine meiner Standartanlaufstellen ist ein breiter, sonniger Waldweg. Wie er aussah kann man auf der ersten Seite im zweiten Beitrag sehen. Er wird auf dem letzten Bild gezeigt. Dort wurde leider im letzten Jahr im umliegenden Waldstück viel geholzt. Der Weg wurde dabei recht ausgefahren und im Anschluss mit Schotter geebnet. Das Ergebnis war für mich auf den ersten Blick sehr schockierend. Der zuwuchernde Mittelstreifen ist weg und die ganze Strecke sehr breit ausgefahren. Das sieht schon ziemlich öd aus. Aber manchmal scheinen die Dinge auf den ersten Blick schlimmer als sie sind.
Ich habe mir dann doch die Zeit genommen und mich an den Rand des Weges mit dem Blick ins Gebüsch gesetzt und mal eine halbe Stunde einfach nur geschaut, was so passiert (aus der Perspektive entstand auch das Habitatbild). Zu meiner Überraschung war im Gebüsch nebenan trotzdem weiterhin richtig Leben, vielfältiger sogar als die vergangenen Jahre. Manche Arten habe ich da zum ersten mal beobachtet, andere waren häufiger, manche hatte ich schon seit 2 Jahren erfolglos gesucht und erst jetzt wiedergefunden. Zu letzterem gehören definitiv die veränderlichen Krabbenspinnen und die gerandete Jagdspinnen. Von beiden wusste ich, dass sie dort vor 3 Jahren vorkamen, hatte aber beide Arten nicht mehr finden können trotz gezielter Suche. An dem Tag saß eine junge Jagdspinne dann mitten auf einer Dolde. An dem einen Ort, an dem ich saß fand ich zwei Krabbenspinnen (die kleine fiel mir mit Sicherheit auch nur deshalb auf, weil ich dort so lange ins Gebüsch starrte, die hätte ich im Vorbeigehen nie gesehen).


Aj