Kleinvieh macht auch Mist - Insekten in der Wüste

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
Ajott
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Kleinvieh macht auch Mist - Insekten in der Wüste

Beitragvon Ajott » 17. Feb 2016, 12:49

Hallo zusammen,

ok, ich habe mich auf den Sanddünen in Namibia eine ganze Weile mit dem sechsbeinigen Leben dort
beschäftigt. Man kann nicht behaupten, ich hätte es nicht versucht. Aber bei den Geschwindigkeiten,
die die meisten Tiere dort an den Tag legen ist die Ausbeute eher mäßig. Trotzdem wäre es zu
schade,
wenn die Aufnahmen ungesehen auf meiner Festplatte versauern würden. Dafür gewähren sie doch einige
selten gezeigte Einblick in das Leben in der Wüste, und das ist ja immerhin das Thema meiner
kleinen
Reihe. :D

Am längsten habe ich mich fraglos mit den Schwarzkäfern oder auch Toktokkies beschäftigt, die als
klassischer Modellorganismus für die Anpassung an heiße und trockene Bedingungen wohl jedem
Biologen
aus Vorlesungen bekannt sein dürften. Es gibt eine Reihe verschiedener in der Namib endemischer
Arten, die man auch unter dem Namen Nebeltrinker kennt. Diese verfolgen unterschiedliche Strategien
und bewohnen verschiedene Mikrohabitate. Während einige sich hauptsächlich am Dünenkamm aufhalten,
bewohnen andere eher die Dünenbasis. Ich zeige hier den Weißen Wüstenkäfer (Onymacris plana),
welcher eng mit !Narasträuchern (Wüstenmelone) assoziiert und damit besonders leicht zu entdecken
ist.
Ihren Namen verdanken sie einer wachsartigen weißen Schicht, die die Flügeldecken überziehen und
den
Käfer damit fast ganz weiß erscheinen lassen kann. Allerdings ist diese Schicht sehr
unterschiedlich
stark ausgeprägt und oft wie hier gar nicht wirklich sichtbar. Die Flügeldecken der
Nebeltrinkerkäfer sind verwachsen, sie sind also nicht flugfähig. Dafür können sie so ein
Luftpolster einschließen, welches gegen die Wärme isoliert. Auch die langen Beine sind eine
Anpassung an die Hitze des Sandes. Im Allgemeinen ist die Auflagefläche der Tiere auf dem Boden nur
sehr gering, nur die Beinspitzen berühren den Sand.
Das aus Tierfilmen bekannte "Nebeltrinken" bei dem die Tiere den Kopf zum Boden und den
Hintern gen Himmel strecken und darauf warten dass Nebel an ihnen kondensiert und tröpfchenweise zu
ihrer Mundregion rinnt, wird nur von zwei Arten ausgeführt, und auch nur innerhalb des Nebelgürtels
in Atlantiknähe. Die Region um Sossusvlei ist dafür jedoch zu trocken. Wird es zu heiß graben sich
Nebelkäfer wie viele andere Wüstentiere einfach ein.

Fortsetzung im nächsten Beitrag..


Die Ganze Reihe:
Teil I,
Teil II
1. Intermezzo
Teil III
Teil IV
Teil V,
Teil VI
Teil VII
2. Intermezzo
Teil IIIV
Teil IX
Teil X
Teil XI
Teil XII
Teil XIII
Teil XIV
Teil XV
Dateianhänge
Die Spuren im Sand deuten schon an, dass hier jede Menge Leben ist. Die große Spur rechts ist von einer der Wüstenechsen, die ich im letzten Beitrag gezeigt habe. Die kleinen Spuren stammen von Toktokkies
spurenmakro.jpg (487.68 KiB) 1645 mal betrachtet
spurenmakro.jpg
Die Toktokkies sind tagsüber fast immer eiligen Fußes unterwegs. Zusammen mit den herausfordernden Lichtbedingungen wird es schwierig sie irgendwie im Bild zu bannen. Da stößte meine Leidenschaft der Aktivmakrophotografie ein wenig an ihre Grenzen ;-)
teneb01makro.jpg (386.05 KiB) 1645 mal betrachtet
teneb01makro.jpg
Ihre Leidenschaft für den flinken Gang machen sie auch gleich zum Ausschlusskriterium für Paarungspartner. Oft sieht man kleine Karawanen von 2 oder mehr Tieren hintereinander herlaufen. Hierbei handelt es sich um Männchen, die ein Weibchen verfolgen. Nur das Männchen,w elches es schafft auf Dauer mit dem Weibchen Schritt zu halten hat letztendlich die Chance sich zu paaren. Davon ist mir leider kein Bild gelungen.
Sattdessen ein Bild von einem weiblichen Tier (aufgewölbter Rücken), welches es ganz offensichtlich bisher geschafft hat allen Verehrern davonzulaufen.
teneb03makro.jpg (360.21 KiB) 1645 mal betrachtet
teneb03makro.jpg
Die Männchen zeichnen sich durch seitlich ausgezogene Flügeldecken aus. Hier in der Frontale
teneb02makro.jpg (230.04 KiB) 1645 mal betrachtet
teneb02makro.jpg
Nochmal ein Männchen in der Frontalen
Teneb04makro.jpg (460.37 KiB) 1647 mal betrachtet
Teneb04makro.jpg
Zuletzt geändert von Ajott am 20. Feb 2016, 13:49, insgesamt 6-mal geändert.
Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.
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Beitragvon Ajott » 17. Feb 2016, 12:50

Neben den Toktokkies konnte ich noch einen anderen Vertreter der Schwarzkäfer beobachten. Leider
konnte ich außer dem Namen (Camponotus detritus) bisher nicht viel dazu herausfinden. Wie seine
Verwandten ist er aber ein
schneller Läufer und in der Lage sich blitzschnell einzugraben. Angeblich entfernt er sich nie weit
von seinem selbstgegrabenen Bau, rennt mit 1m/3s und ist ein ungewöhnliches Beispiel dafür, wie
sich
aus einem sich von abgestorbenen organischem Material ernährendes Tier zu einem Beutegreifer
entwickeln konnte. Offensichtlich war es großes Glück, das Tier überhaupt zu Gesicht zu bekommen.

An den !Nara-Sträuchern konnte man auch die Namib-Dünenameisen beobachten, ebenfalls sehr flink
unterwegs. Sie sind etwa so groß wie unsere Waldameisen und mit ihrem hell behaarten Hinterleib mit
den dunklen Flecken wunderschön anzusehen. Da man immer nur eine handvoll Tiere sieht ist es schwer
vorstellbar, dass ihre Staaten doch Größen von mehreren tausend Tieren umfassen. Gegenüber fremden
Staaten sind sie extrem aggressiv und bekämpfen sich bis aufs Blut. Sie ernähren sich von allem,
was die Wüste an fressbaren hergibt, sei es pflanzlich oder tierisch.

liebe Grüße
Aj
Dateianhänge
Die !Nara oder Wüstenmelone ist eine wichtige Pflanze für das Leben in der Wüste. Nicht nur Tiere, sondern auch das Leben von Menschen in der Namib war und ist eng an dieses Gewächs gebunden. Sie kommt nru dort vor, wo ihre Wurzeln das Grundwasser erreichen können, ist damit aber eine der häufigsten Pflanzen in der Namib. Zu den Kürbisgewächsen gehörend bildet sie runde fleischige, wasserhaltige Früchte aus.
Auf der Suche nach Toktokkies kann sich ein genauerer Blick am Fuß der Pflanze oft sehr lohnen.
Nara!.jpg (171.47 KiB) 1598 mal betrachtet
Nara!.jpg
Die Männchen des Schwarzkäfers Camponotus detritus sind mit diesen gewaltigen Mundwerkzeugen ausgestattet.
Calognathus chevrolati01makro.jpg (459.46 KiB) 1597 mal betrachtet
Calognathus chevrolati01makro.jpg
Eine Aufsicht von Camponotus detritus
Calognathus chevrolati02makro.jpg (495.78 KiB) 1599 mal betrachtet
Calognathus chevrolati02makro.jpg
Namib-Dünenameise.
camponotus detritus01.jpg (274.35 KiB) 1597 mal betrachtet
camponotus detritus01.jpg
Zuletzt geändert von Ajott am 17. Feb 2016, 13:29, insgesamt 4-mal geändert.
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Beitragvon ji-em » 17. Feb 2016, 12:57

Hoi Anja,

Whouah ... das ist Fotografie die mich wirklch sehr anspricht ...
Sowohl das Spurenbild (was für eine kleine Spitze steckt da im Sand ... rechts unten ?) ...
als die andere Formule 1-Bilder :DD
Die Frontale ist wirklich Spitze ... egal ob sie perfekt ist oder nicht ...

O.k. jetzt geh ich mal den Text auch lesen ... :wink:

Hab schon viel Dank für das Teilen von diese schöne Sammlung Bilder.

Gruss,
jean


P.S. Das mit der "Trinkposition" muss ich mich merken ...
Falls ich nächstes Mal meine Feldflache wieder vergesse ... :-))
Vergleichen macht vieles klar ... ! :-)
Mein Kommentar wiederspiegelt nur meine momentane, bescheidene, persönliche Meinung.
Bitte, auf kein Fall, persönlich auffassen auch wenn ich mich irreführend mitgeteilt habe.
Ich lese lieber 2-3 aufrichtige, negative Kommentare ... als gar keine ! :-)
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Beitragvon gelikrause » 17. Feb 2016, 19:12

Hallo Anja, tolle Serie, mit informativen Hintergrundinfos. Danke dafür :)
LG Angelika

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Beitragvon Sven A. » 18. Feb 2016, 22:38

Moin Anja,
vielen Dank, dass du mich wieder für ein Weilchen in die Namib entführt hast :-)
Immer wieder spannend, was du uns berichtest.
Für die Umstände und so flinke Käfer sind die Bilder doch gut geworden, mit ein wenig Dynamik eben (Bild 3)
Alle anderen finde ich super gut gelungen!

Ich vermute mal, dass die Insekten sich beeilen müssen. Einerseits nur kurzen Kontakt mit dem heißen Sand,
andereseits gibt es kaum Deckung, sie kann man gut sehen, so auch ihre Fressfeinde.
Da ist es sicherlich nicht schlecht, wenn man gut zu Fuss ist :DD

Eine Spannende Serie und ich bin gespannt wie es weiter geht.

Besten Dank dafür
Viele Grüße
Sven
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Beitragvon Gabi Buschmann » 19. Feb 2016, 20:05

Hallo, Anja,

toll, ganz toll. Diese Käfer sind ja bewundernswert in ihrer
Fähigkeit, mit den schwierigen Bedingungen klar zu kommen. Deine Fotos
sind super, auch das mit den Spuren begeistert mich.
Vielen Dank fürs Zeigen und für die wieder sehr interessanten Infos!!
Liebe Grüße Gabi
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Beitragvon Peter Schmitz » 19. Feb 2016, 20:13

Hallo Anja, eine beeindruckende Fotodokumentation und ein hochinteressanter Text dazu. Vielen Dank für Deine Mühe.

Besonders gefällt mir Deine Fußspurenbild. Unglaublich, dass in dem Sand überhaupt Spuren der Leichtgewichte zu sehen
sind.
Schöne Grüße aus Hildesheim

Peter



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Beitragvon piper » 20. Feb 2016, 09:05

Hallo Anja,

ganz schön was los in der Wüste!
Es ist schon erstaunlich wie viel Leben
es in diesem eher lebensfeindlichen Lebensraum gibt.
Cool finde ich auch das Bild mit den Spuren im Sand.
Vielen Dank für diese schöne und interessante Doku.
Liebe Grüße Ute

Die Freude am Kleinen ist die schwierigste Freude, denn es gehört ein großes Herz dazu.
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Beitragvon Corela » 20. Feb 2016, 10:45

Hallo Anja,

ich bin immer wieder sprachlos wieviel Leben in dieser extremen Umgebung möglicht ist.
Das 1. Bild finde ich richtig spannend, Spuren im Sand.
Aber auch die Insekten selber hast du klasse festgehalten.
Danke auch für diesen Teil deiner Reiseerzählungen.
lG
Conny


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Beitragvon harai » 21. Feb 2016, 20:02

Hallo anja,

ich finde Deine Bilder, aber auch die Texte dazu, immer wieder faszinierend. Hier lernt
man eine Menge Dinge über andere Lebewesen, die man sonst kaum dokumentarisch zu sehen
bekommt (höchstens durch Zufall in der Literatur und im Fernsehen). Das erste Bild zeigt
doch sehr gut, was es doch für Leben in dieser an sich "lebensfremden" Wüste
gibt. Erstaunlich finde ich es, wie du die Kontraste hier gemeistert hast.
Liebe Grüße
Rainer

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