Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
Ajott
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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon Ajott » 21. Feb 2019, 18:32

Hi zusammen,

in den letzten 8 Jahren habe ich es mir nur selten nehmen lassen (ein Jahr, als ich zu der Zeit in Dänemark verweilte), die Moorfrösche zu beobachten. Wenn ich mir eure frühlingshaften Beiträge im Forum so anschaue, wäre das jetzt bald schon die Zeit, wo ich zum ersten Mal (viel zu früh, wie immer :DD ) "mein" Moor im Wald aufsuchen würde, um den Stand der Lage zu checken. Und dann würden noch viele Touren dorthin folgen, bis sie endlich da wären, um den Fühling einzuleiten: die Moorfrösche und Erdkröten.

Nunja, dieses Jahr wird daraus wohl nichts und ein bisschen Wehmut kommt darüber schon auf. Das war mir ein lieb gewordenes Ritual. Aber gut, zum Ausgleich krame ich mal das einzige Amphib heraus, was ich bisher in Ecuador fotografieren konnte.

Im Moment ist Regenzeit und es kommt fast jeden Tag Wasser vom Himmel. Immer wenn es regnet und nachts legen die Frösche bei uns im Garten los. Die Geräusche sind eher eine Art Klacken, ich hab es mal als "ping-pong-ball-artig" beschrieben, und das kommt ganz gut hin. Gesehen habe ich die Verursacher noch nie, aber ich halte die Augen weiter offen. Wir haben zwei kleine zugewucherte Tümpelchen, in denen große Kaulquappen dümpeln, die sicherlich ihre 2-3 Zentimeter Größe haben. So richtig zum Fotografieren eignen sich die Stellen jedoch nicht.

Als ich Ende Januar durch den Garten striff, entdeckte ich auf einem großen Blatt einen Klumpen. Juchuuuu! Endlich bekomme ich so ein Amphib auch mal zu Gesicht. Wobei ich eigentlich nicht weiß, ob Geräusche, Quappen und Sichtung in einem engeren Zusammenhang stehen. Vielleicht haben alle Beobachtungen gar nichts miteinander zu tun.

Wie dem auch sei, was ich hier entdeckt hatte war was ganz Spannendes!
Sieht mit der runzligen Haut ein bisschen nach Kröte aus, vermehrt sich wie ein Känguruh... muss wohl ein Beutelfrosch sein. Etwa 70 bis 100 Arten (je nach Quelle) gibt es in Mittel- und Südamerika, wobei die meisten eher in den höheren Lagen der Gebirge ihr Zuhause finden. Sie gehören zu den Laubfröschen, sind also mit unserem Europäischen Laubfrosch der deutschen Amphibienwelt am engsten verwand. Den Namen Beutelfrosch tragen sie nicht umsonst, denn ähnlich wie bei Kängurus und anderen Beuteltieren verbringt der Nachwuchs die ersten Tage in einem Beutel des Weibchens. Das können bis zu 4 Monate sein, ist aber oft auch kürzer. Irgendwann, wenn die Quappen reif genug sind, werden sie in eine kleine Wasserstelle entlassen, wo sie die letzte Entwicklungsstufe bis zum Frosch durchmachen. Angeblich gibt es aber auch Arten, die sich von Wasser ganz unabhängig machen konnten, sodass die Minifrösche den Beutel der Mutter verlassen.

Welche Art ich genau hier erwischt habe weiß ich nicht. Manche Arten lassen sich nur anhand der Vorderzehen unterscheiden, die mir mein Motiv nicht präsentieren wollte. Bei einigen bis vor kurzem sehr häufigen Arten gab es im letzten Jahrzehnt massive Bestandseinbrüche von über 30%. Schuld hat in diesem Fall wohl nicht der Pilz, der uns ja auch aus Europa leider bekannt ist, sondern Habitatverlust. In Cuenca gibt es einige gezielte Bemühungen, Habitate für Amphibien (und dabei wird auch besonders mit Beutelfröschen geworben) zu schaffen und zu pflegen. Auch die beiden Miniteichlein bei uns im Garten sind angelegt und werden bewässert, damit sie nicht austrocknen. So habe ich direkt vor der Haustür die Gelegenheit Amphibien zu hören und zu sehen.

Liebe Grüße
Aj

PS: Begleittexte sind am Bild
Dateianhänge
So fand ich die Dame auf einem Blatt in etwa 1m Höhe vor. Seither schaue ich bei jedem Gang durch den Garten an diesen Pflanzen vorbei, habe aber nie wieder einen Frosch gesehen leider.
---------
Aufnahmedatum: 26.01.2019
Region/Ort: Ecuador
vorgefundener Lebensraum: Garten
Artenname: Beutelfrosch (Gastrotheca sp.)
NB
sonstiges:
Gastrotheca01makro.jpg (444.9 KiB) 541 mal betrachtet
Gastrotheca01makro.jpg
Die Färbung kann sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Tiere sind einheitlich grün, manche tendieren eher ins Braun, manche wie dieses Weibchen, zeigen diese wunderschöne Streifenzeichnung.
Gastrotheca05makro.jpg (448.33 KiB) 541 mal betrachtet
Gastrotheca05makro.jpg
Diese Dame lies sich von mir gar nicht stören und ich habe auch darauf geachtet, dass das so bleibt. Sie hat hier wohl die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen.
Gastrotheca04makro.jpg (444.16 KiB) 541 mal betrachtet
Gastrotheca04makro.jpg
Hätten Frösche eine Ahnung von Fotografie, müsste man die dame wohl für den Einsatz der führenden Linien loben, denn sie leiten den Blick schon auf die Besonderheit der Beutelfrösche...
Gastrotheca03makro.jpg (470.33 KiB) 541 mal betrachtet
Gastrotheca03makro.jpg
.. den namensgebenden Beutel besitzen nur die Weibchen, was die Geschlechtererkennung natürlich stark vereinfacht. Bei der paarung, die bis zu 8 Stunden dauern kann, presst das Weibchen seine Eier hervor, die dann vom Männchen befruchtet und mit den Hinterbeinen in die Bruttasche befördert werden.
Gastrotheca06makro.jpg (444.63 KiB) 541 mal betrachtet
Gastrotheca06makro.jpg
Zuletzt geändert von Ajott am 21. Feb 2019, 18:36, insgesamt 1-mal geändert.
Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.
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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon Jürgen Fischer » 21. Feb 2019, 20:10

Hi Anja,

das ist ja schon mal eine tolle Begegnung im neuen Lebensraum!
Absolut faszinierend!
Die Laubfroschverwandtschaft ist mit etwas Fantasie gut zu erkennen.

Ich hab für mich beschlossen mich fast ausschließlich der heimischen Fauna zu widmen, sonst müsste ich auch beim Anblick deiner Aufnahmen neidisch werden.
Aber es ist auch schon super deine Bilder zu betrachten.
Ich freu mich schon auf mehr und wünsch dir viele, viele interessante Begegnungen!

LG Jürgen
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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon fossilhunter » 21. Feb 2019, 22:03

Hi Anja,

danke für deinen amphibientechnischen Bericht aus deiner neuen Heimat !
Ich muss gestehen, dass ich bis zum Lesen deines Threads von einem Beutelfrosch noch nie was gehört habe ... schon wirklich faszinierend und du hast diese hübsche Dame auch wirklich toll dokumentiert.
Einen Beutelfrosch hätte ich mir bis jetzt maximal in Australien vorstellen können :wink:
Danke für deinen interessanten Beitrag - immer wieder eine Freude !

lg

Karl
lg Karl

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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon Werner Buschmann » 21. Feb 2019, 22:59

Hallo Anja,

das ist ja ein großartiger Fund. Richtig spannend Dein Bericht.
Tolles Beispiel für optimale Tarnung.
Aber das klappt bei Dir natürlich nicht. :lol:
Da werden wir ja noch so einiges an spannenden Beobachtungen
zu erwarten haben.
Beutelfrösche, ich fasse es nicht . :)
________________
Liebe Grüße, passt auf Euch auf und vergesst das Lächeln nicht!
Werner
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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon Maring » 22. Feb 2019, 13:46

Hallo Anja,

klasse ist dieser Bericht und schon hat man wieder etwas gelernt.
Ich hoffe da kommt nocht mehr damit wir unser Wissen erweitern
können.

Danke :DH:
Viele Grüße

Ingrid
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Beitragvon Gabi Buschmann » 22. Feb 2019, 15:32

Hallo, Anja,

zuerst mal vielen Dank für deinen ausführlichen und sehr informativen
Text, der sich - wie immer bei dir - sehr spannend und leicht liest!

Diese Beuteltechnik des Beutelfroschs hört sich eigentlich genial an,
das bietet ja für die erste, sehr sensible Zeit einen richtig guten Schutz
und gerade die Arten, wo sogar erst die Minifrösche aus dem Beutel
entlassen werden und die sich so unabhängig vom Wasser gemacht haben,
müssten doch eigentlich gute Überlebenschancen haben.
Aber wo der geeignete Lebensraum fehlt oder immer knapper wird, helfen
auch solche genialen Strategien nicht und man kann nur hoffen, dass die
Maßnahmen, die glücklicherweise ergriffen worden sind, erfolgreich sind.

Die Bilder zeigen dieses Wundertierchen bestens von allen Seiten und
mit den markanten Merkmalen. Im ersten Bild werden bei mir sofort
Beschützerinstinkte wach - irgendwie möchte ich die Hand schützend
über dieses kleine Wesen auf dem riesigen Blatt halten. Die Zugehörigkeit
zu den Laubfröschen wird da für mich besonders deutlich sichtbar.
Ansonsten fasziniert mich das tolle "Design" der Haut - welcher Künstler
war da wieder am Werk?

Eine tolle Doku, Anja!
Liebe Grüße Gabi
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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon Freddie » 23. Feb 2019, 15:38

Hallo Anja,

eine interessante Doku über ein Tier, welches man in Europa nicht kennt.
Bin mal gespannt, was du noch finden wirst.
Meine Kritiken spiegeln nur meine persönliche Ansicht wider.
Sie sollen helfen, sind aber völlig unverbindlich und keinesfalls böse gemeint.
Alle hier von mir gezeigten Bilder dürfen ungefragt für die Artengalerie verwendet werden.
Liebe Grüße und allzeit Gut Licht, Friedhelm.

Hier könnt Ihr meine Homepage besuchen: http://freddies-makro-blog.blogspot.de/
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Die Kängerkröte.. oder Kröteru?

Beitragvon Corela » 24. Feb 2019, 13:28

Hallo Anja,

sowas im Garten zu haben, ist schon etwas ganz Besonderes.
Vielen Dank für diese Dokumentation in Wort und Bild, einfach faszinierend :ok:
Seit Freitagabend gibt es wenigstens einen Frosch bei uns im Garten :girl_dance:
lG
Conny


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„Die Abende im Garten sind so schön, daß ich mich nicht entschließen konnte, mich an den Schreibtisch zu setzen“ – Max Liebermann, 1911.

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