Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
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Jürgen Fischer
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Jürgen Fischer » 25. Okt 2021, 21:41

Sphex funerarius wurde früher auch S. rufocinctus, davor auch als S. maxillosus benannt. Diese Namen sind aber aktuell nicht mehr gebräuchlich.
Früher war die südliche Art anscheinend nicht selten bei uns, in den 1960 er Jahre war sie dann allerdings verschwunden und wurde 30 Jahre lang als verschollen oder ausgestorben geführt.
Seit 1990 wurde sie dann wieder gefunden und verbreitet sich nun im Zuge der Klimaerwärmung bundesweit.
Und so kam ich heuer auch erstmals in den Genuß die wärmeliebende Grabwespe im kalten Fichtelgebirge beobachten zu können.


Alle Infos wie immer in den Bildanlagen.
Dateianhänge
Bild 1 zeigt das Portrait eines Weibchens (rote Schienen) auf einer Blüte, ohnehin wird Sphex am häufigsten beim Blütenbesuch beobachtet, bei dem die Tiere Nektar und Pollen aufnehmen.
sonstiges:
01 Sphex funerarius 01.jpg (175.2 KiB) 478 mal betrachtet
01 Sphex funerarius 01.jpg
In diesem Fall saß das Weibchen aber nicht zur Nahrungsaufnahme auf der Ampferblüte, sondern hatte sie als Schlafplatz ausgewählt. Das Bild entstand im Juni, also zur Paarungszeit und da verbringen die Weibchen die Nacht meist nicht direkt von den Männchen und alleine.
02 Sphex funerarius 02.jpg (449.6 KiB) 478 mal betrachtet
02 Sphex funerarius 02.jpg
Die Männchen, - sie besitzen durchgängig schwarze Beine und sind deutlich kleiner und graziler als die Weibchen - dagegen versammeln sich in der Dämmerung zu Schlafgemeinschaften.
03 Sphex funerarius 03.jpg (638.18 KiB) 478 mal betrachtet
03 Sphex funerarius 03.jpg
Diese Männer-Schlaflager finden sich meist an der Spitze grüner oder auch dürrer Pflanzen und die kleinsten Schlafsäle die ich finden konnte waren mit 5-6 Männchen besetzt.
04 Sphex funerarius 04.jpg (822.16 KiB) 478 mal betrachtet
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Aber auch, wenn wie in diesem Bild das Schlafquartier überfüllt zu sein scheint, geht es doch sehr friedlich und ohne Reibereien bei den Herren der Schöpfung zu. Auf der abgebildeten Blüte suchten rund 20 Männchen die Nachtruhe.
die bisher gezeigten 5 Aufnahmen entstanden Ende Juni 2011 in einem kleinen Sandgebiet in Unterfranken.
Die folgenden Fotos, auch die in der Doku 2 wurden Ende Juli 2021 im Fichtelgebirge aufgenommen.
05 Sphex funerarius 05.jpg (1.2 MiB) 478 mal betrachtet
05 Sphex funerarius 05.jpg
Da manchmal durchaus Verwechslungsgefahr besteht zwischen den drei Gattungen unserer größten "Sandwespen", hier eine kleine Bestimmunghilfe, um die Gattungen Sphex, Podalonia und Ammophila leicht unterscheiden zu können: Das erste und leicht erkennbares Unterscheidungsmerkmal ist die Länge des Petiolus, dem "Verbindungsstiel" zwischen Brust und Hinterleib (siehe roter Pfeil).
Bei Ammophila ist der Petiolus sehr lang, bei Podalonia kurz und bei Sphex sehr kurz. Im Vergleich wird das sicher deutlich.
Ein sehr sicheres Merkmal zur Trennung von Sphex und Podalonia ist die Flügeladerung. Betrachtet man die gelb markierten und mit A und B beschrifteten Flügeladern des rechten Vorderflügels, so sieht man, dass bei der Heuschreckensandwespe Sphex die Ader A in die rot beschriftete Zelle 2 mündet, die Ader B hingegen in die Zelle 3.
Bei Ammophila (Sandwespe im engeren Sinn) und Podalonia (Kurzstielsandwespe) münden sowohl Ader A und Ader B in die Zelle 2.
06 Sphex funerarius 06.jpg (875.43 KiB) 478 mal betrachtet
06 Sphex funerarius 06.jpg
Die Sphex - Weibchen fangen nach der Begattung zügig mit dem Nestbau an. Hierfür suchen sie sonnenexponierte, schütter bewachsene und sehr heiße Flächen auf, in deren Umgebung ausreichend Blütenhabitate zu finden sind. Und obwohl die Art zu den solitären Wespen zählt, nisten sie gerne in Kolonien, sogenannten Nestaggregationen.
Im Bild hab ich auf ca 10 qm rund 20 Nester gezählt, manche sehr eng beieinander liegend. Die Löcher, an deren unterer Hälfte kleine Sandauswürfe zu sehen sind, sind gerade in Arbeit und frischer Sand wird ausgeworfen.
Es ist selbstverständlich, dass man als Fotograf nicht mittenrein in die Fläche latscht, sondern besser ist es die Randbereiche abzusuchen und nur in den dünner besiedelten Außenbereichen zu fotografieren.
07 Sphex funerarius 07.jpg (1.81 MiB) 478 mal betrachtet
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Mit etwas Glück kann man dann auch ein Weibchen im Nestausgang beobachten. Hier ruhen die Tiere gerne zwischen den Beutezügen, oder wie in diesem Fall zwischen den einzelnen Phasen des Nestbaues. Der Nestgang führt immerhin ca. 15 cm tief in die Erde und verzweigt sich dann noch in bis zu 5 Kammern, in die dann jeweils eine Heuschrecke eingetragen wird.
08 Sphex funerarius 08.jpg (740.05 KiB) 478 mal betrachtet
08 Sphex funerarius 08.jpg
Beim Nestbau transportiert das Weibchen lockere Erde und Sand in größeren Mengen nach draußen. Dies geschieht in einem irren Tempo, sodass Fotos nicht so einfach zu machen sind. Die Wespe rennt dabei vom Eingang weg immer wieder sehr schnell rückwärts nach hinten weg und scharrt dabei mit den Vorderbeinen den Sand unter ihren Körper. Den aufgewirbelten Sand kann man unter dem Körper leidlich gut erkennen.
09 Sphex funerarius 09.jpg (783.73 KiB) 478 mal betrachtet
09 Sphex funerarius 09.jpg
Die Augen und die Fühler sind sozusagen das Kapital der Wespe und da diese beiden wichtigen Sinnesorgane bei den Grabtätigkeiten stark verschmutzen, nimmt sich das Tier immer wieder eine kurze Auszeit um blitzschnell mit den Vorderbeinen Augen und Fühler mit schnellen Streifbewegungen zu putzen. Ähnich machen es ja auch die Libellen, mit ihren "Putzbeinen".
10 Sphex funerarius 10.jpg (500.05 KiB) 478 mal betrachtet
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Neben Sand und Erdkrümmeln muss die Wespe auch größere Partikel ausräumen. Diese Arbeit wird aber dann nicht mit den Beinen, sondern mit den kräftigen Mandibeln (Oberkiefer) erledigt. Der Aushub wird dann auch einige Zentimeter vom Nesteingang entfernt, abgelegt.
11 Sphex funerarius 11.jpg (624.46 KiB) 478 mal betrachtet
11 Sphex funerarius 11.jpg
Auch größere Gegenstände, wie der störende Pflanzenfruchtkörper, werden schnellstens entfernt und so wird nach und nach der Nestbau zu Ende gebracht.


Mit dem Bild endet der erste Teil der Doku, der zweite befasst sich dann mehr mit dem Beuteeintrag (Langfühlerschrecken). Der folgt dann in Kürze.
12 Sphex funerarius 12.jpg (692.03 KiB) 478 mal betrachtet
12 Sphex funerarius 12.jpg
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Gabi Buschmann » 25. Okt 2021, 22:15

Hallo, Jürgen,

das ist ja wieder mal eine fantastische Dokumentation.
Tolle Bilder. Die Schlafgemeinschaften sind ja echt
der Hammer - so viele Männchen wie bei dem dritten
Schlafgemeinschaftsbild habe ich noch nicht gesehen.
Und die Nestbaubilder sind super geworden. Ich hatte
in Franken am Rand des Sandgebiets auch mal versucht,
eine aktive Heuschrecken-Sandwespe beim Bauen zu
erwischen, es ist mir nicht gelungen. Die sind wirklich
unheimlich schnell und wuselig zu Gange. Immer wieder
beeindruckend finde ich Aufnahmen die zeigen, welche
Brocken die Sandwespen bewegen können, so wie in
deinen letzten Bildern.
Vielen Dank für diesen wunderbaren ersten Teil, da ist
die Vorfreude auf den zweiten Teil schon groß.
Zuletzt geändert von Gabi Buschmann am 25. Okt 2021, 22:16, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße Gabi
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Enrico » 25. Okt 2021, 22:33

Hallo Jürgen,

wow,was für eine beeindruckende Doku.

Die Bilder sind spitze und der Text, mal wieder sehr informativ.

Die Massenansammlung auf der Pflanze, ist ja der Hammer :shock:

Bei den Grabwespen, tue ich mich schwer, was die Bestimmung angeht.

Danke für's Zeigen.

:ok:
LG Enrico
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Ehab Edward » 25. Okt 2021, 23:50

Hallo Jürgen,

eine fantastische Dokumentation , Respekt :DH: :DH: :DH: :DH: :DH:
Liebe Grüße
Ehab
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Otto G. » 26. Okt 2021, 01:08

Hallo Jürgen

sehr,sehr informativ,viel gelernt.
Und die Bilder sind wieder der Oberhammer!!
Hat sicher einiges an Schweiß gekostet :-).

Gruss
Otto
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Werner Buschmann » 26. Okt 2021, 01:16

Hallo Jürgen,

wiedermal eine geniale Doku.
Da ich das Leben der Sandwespen auch
schon einige Zeit verfolge, kann ich ermessen,
welche Leistung hinter Deinen Aufnahmen steht.
Großes Kino mit ganz viel Informationen.

Ich bin begeistert:

:Stern: :Stern: :Stern: :Stern: :Stern:
________________
Liebe Grüße, passt auf Euch auf und vergesst das Lächeln nicht!
Werner
5 :Stern: ist mein Maximum bei einer Rückmeldung.
Meine Sternebewertung beziehen meine Bewertung immer auf die Gesamtheit der
im Forum gezeigten Bilder.
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Freddie » 26. Okt 2021, 07:05

Hallo Jürgen,

neben den tollen Fotos sind hier auch wieder wichtige Infos dabei.
Besonders hervorheben möchte ich den Vergleich der 3 Arten.
Jetzt komme ich auch mit der Bestimmung klar.
Danke fürs Zeigen und Erklären.
Meine Kritiken spiegeln nur meine persönliche Ansicht wider.
Sie sollen helfen, sind aber völlig unverbindlich und keinesfalls böse gemeint.
Alle hier von mir gezeigten Bilder dürfen ungefragt für die Artengalerie verwendet werden.
Liebe Grüße und allzeit Gut Licht, Friedhelm.

Hier könnt Ihr meine Homepage besuchen: http://freddies-makro-blog.blogspot.de/
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon Hemma » 26. Okt 2021, 08:46

Hallo Jürgen,
Danke für diese hochinteressante Dokumentation. Ganz tolle Bilder!
:admin:
Lg Dagmar
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon derflo » 26. Okt 2021, 11:54

Hallo Jürgen,

danke für die tolle Doku. Der anschauliche Vergleich der 3 Gattungen hilft den Fotografen die nicht
so tief im Thema stecken sicher sehr. Deine Bilder sind toll und der dokumentarische Wert hoch.
Ich mag die Sandwespen sehr und bei uns im Maintal gibt es einige Flächen auf denen man sie beobachten
kann.

Viele Grüße
Flo
Orchideen in Deutschland:http://www.maldiesmaldas.de
Ich auf flickr: http://www.flickr.com/photos/maldiesmaldas
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Die Heuschreckensandwespe Sphex funerarius

Beitragvon kabefa » 26. Okt 2021, 12:27

Hallo Jürgen...

deine Doku ist ja hammermäßig... :yahoo: Dankeschön! :sm2:

Vor allem auch die super Aufnahmen und die guten Erklärungen dazu.

Dieses Insekt ist mir noch nie aufgefallen...

da muss ich wohl in Zukunft noch besser die Augen offen halten.

"Vorgewarnt" ;-) bin ich ja jetzt.

LG Karin
Never give up... :-)

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