Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Balgengeräte, Zwischenringe, Nahlinsen etc.
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krimberger
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon krimberger » 6. Mär 2019, 07:18

Hallo,
die Makrofotografie ist eigentliche eine Nische in der Fotografie. Wenn ich die Objektivparks der großen und der kleinen Hersteller ansehe sind in der Regel 2 bis 3 Makroobjektive dabei. So passiert es, dass wir in der Makrofotografie verschiedene Lösungen wie Zwischenringe und Retrostellung anwenden um an unsere Ziele zu kommen, nämlich kleine Dinge so gut wie möglich abzubilden. Und weil es unser Hobby ist, spielt der Preis und auch andere Anwendungsmöglichkeiten eine wesentliche Rolle. Ein gutes Mikroskop Objektiv ist auch sehr teuer, kann aber nur für eine spezielle Anwendung eingesetzt werden. In Retrostellung haben sich einige Objektive, teils auch alt, als besonders geeignet herauskristallisiert.

Ich habe im Olympus Forum vor kurzem gelesen " M.Zuiko 17mm f/1.2 bei Lenstip: neuer Auflösungsrekord" (https://www.oly-forum.com/topic/22490-m ... ngsrekord/). Ein derartiges Objektiv ist sehr vielseitig einsetzbar und ob ich für meine Zwecke unbedingt ein 17mm 1.2 benötige oder das wesentlich günstigere 1.8er ist für mich eine Überlegung wert, wenn nicht der Gedanke in Richtung Makrofotografie wäre.

Mir kam der folgende Gedanke. Wenn ein Objektiv eine sehr gute Auflösung bei Normalanwendung hat, dann müsste es doch auch in Retrostellung sehr gut sein. Ist diese Annahme richtig oder ist es durch die andersartige Anwendung der Konstruktion einfach nur Zufall ob es für Retrostellung besonders geeignet ist oder nicht?

Hat sich von euch schon einmal jemand mit diesem Gedanken gespielt oder praktische Erfahrungen damit gemacht, dass ein sehr gutes Objektiv in Retrostellung automatisch sehr gut oder auch sehr schlecht sein kein? Natürlich abgesehen von den technischen Problemen wie Blendensteuerung usw.. Ich meine nur die optische Eignung.

Grüße
Kurt
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon klaus57 » 6. Mär 2019, 09:12

Hallo Kurt,
ich habe ja auch aus der Analogzeit noch einige Objektive...zur Zeit probiere ich ein 28er in Retrostellung
am Balgen...ist ein Yashica...das habe ich auch schon früher ausprobiert...hab damit gute Erfolge erzielt...
auch ein 35er und ein 50er hab ich schon in Verwendung gehabt...ich bin der Meinung das sie alle eine gute
Qualität liefern, sowie im normalen Gebrauch...ich hab mir da eine 5100 Sony gebraucht gekauft, möchte
aber das Ganze auch mit der Nikon versuchen...sehn wir mal was passiert...wenn es was wird stelle ich
schon mal was rein ins Forum!
L.g.Klaus
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Beitragvon komet » 6. Mär 2019, 11:00

Hallo Kurt,

die theoretische Auflösung ist nicht alles. Leider fehlt diesen lichtstarken Objektiven die gute apochromatische Korrektur. Deshalb würde ich lieber ein Apo Vergrößerungsobjektiv von Schneider oder Rodenstock in Retro verwenden.
Ich nehme an, das Zuiko ist für unendlich optimiert und in Retro für einen undefiniert großen Maßstab vielleicht geeignet, müßte dort eine ähnlich Qualität liefern.
Ich habe etliche Nikon Objektive in Retro getestet, alle hatten alle Arten der Farbfehler.

Gruß, Martin
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon Stuessi » 3. Mai 2019, 10:40

Hallo Kurt,

ein sehr gutes für Gegenstandsweite unendlich gerechnetes Objektiv wird sicher auch bei retro Verwendung sehr gut sein, wenn dann die Bildweite auch unendlich ist. Zwischen Objektiv und Kamera muss man dann ein auf unendlich eingestelltes Kopplungsobjektiv mit größerer Brennweite montieren.
Da die Ein-und Austrittspupillen nicht zusammenfallen wird leider nur ein Teil des Gesichtsfelds gut ausgeleuchtet. APS-C Sensoren oder kleinere sind dann erforderlich.
Abbildungsmaßstab = f(Koppl.O.) / f(Objektiv)

Gruß
Georg
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon Benjamin » 3. Mai 2019, 23:04

Hallo Kurt,

kann man bei einem Zuiko in Retro die Blende einstellen bzw. oberhalb Offenblende fixieren wie bei Canon EF?
Das wäre ja erstmal "kriegsentscheidend" - vernünftige Tiefenschärfe bei 3:1 und f/1,8 ist ja doch nicht sooo trivial. :DD

Retrotaugliche Objektive mit Brennweiten < 50 mm werden auch schnell teuer - da kommst du mit einem richtigen Lupenobjektiv (Zeiss Luminar o. ä.) evtl. besser weg.
Oder du bleibst bei der Kombi aus 60er Makro + ZR + Raynox - so schlecht sehen die Resultate doch nicht aus. ;)
Viele Grüße,
Benjamin
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Beitragvon Stuessi » 12. Sep 2019, 16:37

Hallo,

auf der Suche nach Objektiv-Kombinationen für Vollformat (24x36 mm²) bin ich fündig geworden:
An der Kamera mit Balgen wird ein Vergrößerungsobjektiv Rodagon 150mm/5,6 oder Componon-S 150mm/5,6 befestigt und auf unendlich eingestellt. Davor kommen mit Umkehrring befestigt z. B. 50mm oder 35mm Objektive, bei denen man die Blende einstellen kann. Erreicht werden dann Abbildungsmaßstäbe 3:1 bzw. 4,3:1. Die 150mm Objektive haben ein Filtergewinde von 52mm.

Gruß
Georg
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon Guppy » 12. Sep 2019, 18:58

Hallo Kurt

Ein Objektiv zeigt die beste Abbildungsleistung, wenn es nach Spezifikation eingesetzt wird.
Also genau so verwendet wird, für was es berechnet wurde.

Theoretisch und rein optisch, ist der Strahlengang umkehrbar.
Ein verkleinerndes Objektiv, vergrössert bei der Umkehrung, ein vergrösserndes Objektiv verkleinert bei der Umkehrung.
Ein Objektiv das für 1:1 berechnet wurde, kann gedreht werden und zeigt die gleiche Abbildungsleistung.
Alles Theorie, die manchmal auch in der Praxis zutrifft.

In der Praxis besitzen Objektive im Innern zu der Aperturblende auch zusätzliche Blenden welche das Streulicht im Objektiv minimieren.
Bei der Umkehrung kann es sein, dass diese Blenden nicht mehr wirken und die Abbildungsleistung deshalb schlechter ist.
Ebenfalls sind die unterschiedlichen Vergütungen an den Linsenoberflächen so gewählt, dass sie vorwiegend in einer Lichtrichtung optimal wirken.

In der Praxis ist zu beachten, dass die meisten Objektive, die für einen vergrössernden Massstab gebaut sind, bei richtiger Montage schon in Retro sind.
Z.B. Lupenobjektive, Luminar, Photar usw. und die Mikroskop Objektive.

Das Licht tritt an der Frontlinse ein und verlässt das Objektiv an dem Ende wo das Gewinde oder der Bajonettanschluss ist.

Vergrösserungsobjektive sind am Vergrösserungsgerät montiert.
Das kleine Negativ wird mit einer Lampe beleuchtet, das Licht geht durch das Negativ,
dann durch das Objektiv und verlässt das Vergrösserungsgerät durch die Frontlinse des Objektivs.
Es wird ein vergrössertes Negativbild projiziert.
Das Licht tritt am Ende mit dem Gewinde oder Bajonettanschluss in das Objektiv ein und verlässt das Objektiv durch die Frontlinse.

Bei Foto-, Lupen- und Mikroskop Objektiven tritt das Licht durch die Frontline in das Objektiv ein,
bei Vergrösserungsobjektiven tritt das Licht durch die Frontlinse aus.
Dies ist ein entscheidender Unterschied und muss bei Vergrösserungsobjektiven berücksichtigt werden,
wenn sie erfolgreich für die Fotografie verwendet werden.

Verwendet man Vergrösserungsobjektive für Fotografie, müssen sie umgekehrt am Fotoapparat montiert werden.
Sie sind dann optisch in der richtigen Richtung montiert.

Bei der Tandemstellung von Objektiven wie sie Stuessi beschreibt:
" An der Kamera mit Balgen wird ein Vergrößerungsobjektiv Rodagon 150mm/5,6 oder Componon-S 150mm/5,6 befestigt und auf unendlich eingestellt.
Davor kommen mit Umkehrring befestigt z. B. 50mm oder 35mm Objektive, bei denen man die Blende einstellen kann."

Es befinden sich sehr viele Linsen im Stahlengang, das ist grundsätzlich problematisch, kann aber auch akzeptabel sein.
Oft ist die Abbildungsleistung besser, wenn man das langbrennweitige Objektiv das normal an der Kamera angeschlossen wird weg lässt,
also reine Retrostellung eines Weitwinkelobjektivs.

Bei solchen Kombinationen ist darauf zu achten, dass bei einer guten Empfehlung, exakt die gleichen Objektive verwendet werden.
Für die Tandemstellung eignen sich einige Objektivkombinationen, sehr viele sind aber mangelhaft.
Die Mängel zeigen sich vor allem im Randbereich, deshalb auch stärker am Vollformat.

Bei der Retro- und Tandemstellung von Objektiven ist es notwendig um gute Bilder zu erhalten,
dass man das optische Setup ausmisst oder sehr gute und kritische Augen hat, um die Qualität des Bildes zu beurteilen.
Man sollte nicht alleine weil es vergrössert, schon glücklich sein :)

Bei weniger kritischen Fotografen (z.B. Anfänger), sind Retro- und Tandemstellung beliebt,
ebenfalls geeignet um kostengünstig, den vergrössernden Bereich des Abbildungsmassstabes kennen zu lernen.

Allgemein gilt: Es kann gut gehen, muss aber nicht unbedingt gut gehen!

Zum Abschluss noch einmal:
Ein Objektiv zeigt die beste Abbildungsleistung, wenn es nach Spezifikation eingesetzt wird.
Also genau so verwendet wird, für was es berechnet wurde.

Kurt
Zuletzt geändert von Guppy am 12. Sep 2019, 21:22, insgesamt 2-mal geändert.
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon komet » 12. Sep 2019, 19:27

Guppy hat geschrieben: Verwendet man Vergrösserungsobjektive für Fotografie, müssen sie umgekehrt am Fotoapparat montiert werden.
Sie sind dann optisch in der richtigen Richtung montiert.

Hallo Kurt,
das gilt aber nicht grundsätzlich, nur dann, wenn sie als Lupenobjektive verwendet werden. Eine sogenannte Digitalobjektive von Rosenstock und Schneider sind normale Vergrößerungsobjektive und werden nicht in Retro eingesetzt, weil sie für den optimalen Bereich von zum Beispiel 1:6 gerechnet sind und dort auch als Aufnahmeobjektiv die gleiche Leistung bringen.
Gruß, Martin
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon Guppy » 12. Sep 2019, 19:33

Hallo Martin

Absolut richtig!
Mein Problem ist, dass ich hier nur im vergrössernden Massstab denke,
wenn jemand ein Objektiv in Retro verwenden will.

Kurt
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Wann eignet sich ein Objektiv für Retrostellung besonders

Beitragvon miclindner » 24. Sep 2020, 15:16

Benjamin hat geschrieben:Quelltext des Beitrags kann man bei einem Zuiko in Retro die Blende einstellen bzw. oberhalb Offenblende fixieren wie bei Canon EF?
Das wäre ja erstmal "kriegsentscheidend" - vernünftige Tiefenschärfe bei 3:1 und f/1,8 ist ja doch nicht sooo trivial. :DD

Retrotaugliche Objektive mit Brennweiten < 50 mm werden auch schnell teuer - da kommst du mit einem richtigen Lupenobjektiv (Zeiss Luminar o. ä.) evtl. besser weg.
Oder du bleibst bei der Kombi aus 60er Makro + ZR + Raynox - so schlecht sehen die Resultate doch nicht aus. ;)


... die Frage betrifft nicht nur Zuiko-Linsen von Olympus sondern praktisch alle modernen Objektive auch anderer Hersteller, die keinen extra Blendenring mehr haben
und
natürlich geht das: wenn man etwas mehr Geld ausgibt und einen automatischen Retroadapter (z.B. Novoflex) verwendet, dann geht das sogar am Balgengerät. Ich habe vor, mir jetzt so etwas zu bestellen, nachdem ich es ausprobieren konnte. Man fotografiert nicht mehr mit den Sucher abdunkelnder Arbeitsblende, sondern bei Offenblende. Gerade beim 60er M.Zuiko-Makro ist das eine beeindruckende Erfahrung wegen der voll nutzbaren Offenblende von 2.8 - das Objektiv kann am Balgen (oder manuellem Zwischenring) sowohl "normal" wie auch in Retrostellung benutzt werden bei Übermittlung aller elektrischen Kontakte.

Bei einem speziellen Makroobjektiv braucht man die Retrostellung aber nicht für die Bildqualität, sondern für die Parameter Bildbreite (also den ABM) und den freien Arbeitsabstand ab Frontlinse (FAB) - beim 60er Olympus ändert sich das am Novoflex Balgen Balpro1 (Sensor = mFT) wie folgt (bitte beachten, der Balgen hat im Gegensatz zu anderen Balgengeräten einen größeren Auszug sowohl minimal wie maximal ausgezogen, daher sind die Werte nicht direkt übertragbar):

a) Normalbetrieb am Balgen: Bildbreite max. 5 mm und min. 2,5 mm sowie FAB 50 mm

b) Retrobetrieb am Balgen: Bildbreite max. 23 mm und min. 4,5 mm sowie FAB 35 bis 5 mm


Hier gilt also: für hohe ABMs ist die Normalstellung sinnvoller, flexibler ist die Retrostellung (allerdings mit weniger FAB, was im Freiland Probleme bei der Beleuchtung erzeugen kann)

Es ist schon beeindruckend, wenn man sieht, wie man den ABM, bei dem das Makro an sich aufhört (1:1 Objektfeldabmessungen am mFT-Sensor 17,3 x 13 mm) noch weiter hinausschieben kann (Bildbreite 2,5 mm bzw. Objektfeldabmessungen 2,5 x 1,9 bzw. ABM 7:1 mFT bzw. 14:1 KB), das wird durch den alleinigen Einsatz einer VA-Linse dann schwierig.

Mit Normalobjektiven ist man mit Zooms am besten aufgestellt, da man Problemen wie der Vignettierung durch Verändern der Brennweite ausweichen kann. Retro direkt an der Kamera, da hat sich vom ABM her gesehen z.B. das 4/12-100 Pro oder das 12-50er bewährt (obwohl es bei langer Brennweite zu Randunschärfe kommen kann; Daten: Novoflex/Marx, 2020), am Balgen das lichtschwache 40-150er in Retrostellung (Bildbreite "in einem Zug" ohne Umbaugrenze von 5 m bis 4 mm ! nutzbarer Brennweitenbereich beim Zoom 150 - 60 mm)

Ich habe jetzt noch einen alten an sich automatischen Balgen aus der OM-Diafilm-Zeit in Gebrauch (Balom-AS), der jetzt nur manuell (Offenblende = Arbeitsblende) betrieben wird, die neuen Balgengeräte 2020 von Novoflex sind zwar größer, aber dafür beeindruckend in der Leistung und der Stabilität (da anders als früher jetzt der Einstellschlitten vom eigentlichen Balgen getrennt ist).
Teuer :shock: , aber gut :D .


Grüße
Michael Lindner
Zuletzt geändert von miclindner am 24. Sep 2020, 15:34, insgesamt 3-mal geändert.

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