Einer will, kann aber nicht..

... andere könnten, wollen aber nicht

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zambiana
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Einer will, kann aber nicht..

Beitragvon zambiana » 25. Mai 2016, 20:37

... und zwar wegfliegen.

Hallo,

gleich zu Beginn: Ich bin in Erzähllaune. Der Text könnte also länger werden. 
Wer darauf keinen Nerv hat: Einfach weiterzappen oder Text ignorieren und Bild anschauen.

Für die anderen: Es geht jetzt los.

Bei meinem Arbeitgeber hat man gefühlt viel zu oft Bereitschaftsdienst und nur in den seltensten Fällen 
wird man nicht aktiviert und kann in Ruhe mal die Bude schrubben. Ich wurde aktiviert. Für Anchorage (Alaska) 
mit zwei freien Tagen vor Ort. Das ist so eine Art Hauptgewinn.
Zum Auto-Reservieren blieb keine Zeit. Alleine - also ohne Pete - würde Auto mieten inklusive Übernachtungen in 
irgendwelchen Motels auch ziemlich teuer und macht vor allem auch weniger Spaß.
Kamera plus Makro-Objektiv mitnehmen? Unser Crewhotel liegt immerhin direkt am Lake Hood, einem der oder 
DEM geschäftigsten Wasserflugzeughäfen der Welt. Und ich erinnerte mich: Da gab es zur richtigen Zeit auch 
mal viele hübsche Libellen. Zur falschen Zeit ist dort aber fast gar nichts los.
Hm..
Es ist Mai. Gegenwärtig wechselhaft bei etwa 14 Grad.
Zur Sicherheit packte ich die Kamera ein.
Und, verdammt noch mal, das hat sich gelohnt.
Ganz ehrlich, sowas habe ich noch nicht erlebt. Jedenfalls noch nicht bei Libellen.
Ein Geschlüpfe allenthalben, als gäbe es einen Preis für die höchste Frequenz in der kürzesten Zeit zu gewinnen. 
Überall Exuvien (leer oder gerade Am-verlassen-Werden), überall schillernde Flügel aushärtender Kleinlibellen 
und drehte ich den Kopf weg vom See: im Sekundentakt aufsteigende Jungfernflug-Flieger. Hammer!
Liegt bestimmt auch daran, daß die Sommersaison in Alaska so kurz ist und jeder, der wachsen und gedeihen will, sich
echt beeilen muß.
Zwischen Hotel und Parkplatz allein auf dem Gehweg überall Kleinlibellen. Bei der Tankstelle ein paar hundert
Meter weiter: Vierflecke und Emeralds, alle auf dem Boden sitzend und in Gefahr, zertreten zu werden.
Hinzu kam, daß gerade Saison für irgendeine kurzlebige Mückenart ist. Ein Restaurant-Angestellter nannte sie Mayflies, 
als er irgendwelche Touristen davon abhalten wollte, draußen auf der Terrasse zu speisen, aber so werden laut Internet 
die Eintagsfliegen dort genannt. Ich tippe eher auf eine der ungezählten Arten an Zuckmücken, die komplett harmlos sind, 
also nicht stechen, aber für wenige Tage in unglaublichen Zahlen unterwegs sein können.
Myriaden, Wolken, die den Himmel verdunkeln; läßt man ungewollt den Mund auf, wird man satt. An Bordsteinkanten 
wurden plattgetretene Exemplare vom Wind zu Häufchen zusammengetragen....
Für mein Empfinden eine Verschwendung an Leben...
Aber das ist subjektiv.

So, und damit kläre ich nun endlich den Titel auf:
Diese Libelle, wahrscheinlich eine Cordulia shurtleffii/American Emerald, frisch noch und nicht ausgehärtet, versuchte ihre 
Flügel zu trocknen. Derweil landeten dauernd diese Mücken auf ihr, die nichts weiter wollten, als in Ruhe irgendwo zu sitzen. 
Egal wo, sitzen halt. 
Sich dafür den Kopf, den Leib oder die Flügel der Libelle auszusuchen, war nun eben nicht für jeden eine gute Idee. Die Libelle 
streifte sie mit den Beinen immer wieder ab, wo sie halt rankam. Irgendwann schien der Widerstand aber gebrochen oder die
Kraft erschöpft und sie wehrte sich sich nicht mehr. 
Also wurde noch fröhlicher gelandet und sitzen geblieben. Die Libelle wäre sicher gerne entfleucht. Aber sie konnte noch nicht...
Davon erzählt dieses Bild.

Danke an die, die mitgelesen haben, für die Geduld und die Ausdauer.


Liebe Grüße,
Andrea

PS: Kommentieren werde ich morgen. Heute geht nix mehr. Habe einen Nachtflug hinter mir, bei dem es nicht eine Minute dunkel war.
10 Stunden Zeitverschiebung halt. Verrückt.
Dateianhänge
Kamera: D 7200
Objektiv: Tokina 100.0 mm f/2.8
Belichtungszeit: 1/200
Blende: 6,3
ISO: 200
Beleuchtung: Natural Light
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG): RAW
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): kein Beschnitt
Stativ: freihand
---------
Aufnahmedatum: 22.05.2016, 15:27 Uhr
Region/Ort: Lake Hood, Anchorage, Alaska
vorgefundener Lebensraum: Vegetation etwa 50 Meter vom See
Artenname: womöglich: Cordulia shurtleffii/American Emerlad
kNB: Halme weggebogen
sonstiges: manuell zusammengebastelter Stack aus zwei Aufnahmen, um die zwei Mücken auf den Flügeln auch noch halbwegs scharf zu kriegen
2016-05-22_152710.jpg (478.92 KiB) 476 mal betrachtet
2016-05-22_152710.jpg
Zuletzt geändert von zambiana am 5. Jun 2016, 20:05, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitragvon piper » 25. Mai 2016, 21:05

Hallo Andrea,

dann schlaf Dich erst einmal aus....
Das mit dem Bereitschaftsdienst kenne aus meinem
früheren Job ja leidvoll auch.
Für so ein tolles Bild wäre allerdings auch gern mal
aus dem frei geholt worden :-)
Ich glaube, so etwas habe ich noch nie gesehen.
Eine Libelle voller Mücken!! Für "zusammengebastelt" ist der
Stack doch gut geworden.
Der HG ist lebendig, aber für mich noch nicht zu unruhig.
Bin gespannt, was Du noch mit gebracht hast.
Liebe Grüße Ute

Die Freude am Kleinen ist die schwierigste Freude, denn es gehört ein großes Herz dazu.
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Beitragvon segeiko » 25. Mai 2016, 21:13

Hallo Andrea,

was für eine Story! Hat echt Spass gemacht gedanklich mit dabei zu
sein. Bildlich kann ich mir das kaum vorstellen, so viele Libellen am schlüpfen und
starten, wo hin man auch guckt. Muss ein wahnsinns Erlebnis sein.
Danke für's mit-teilen!

Die Aufnahme ist wohl auch irgendwie einzigartig mit diesem Mayflies. Ein gelungener
und selbstgebastelter Stack.

Lieben Gruss
Beatrice
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Beitragvon schaubinio » 26. Mai 2016, 00:07

Hey Andrea, nachdem ich Deinen Text gelesen habe,
ist die hessische Nacht nun auch um einige Minuten kürzer geworden :DD

Hab ich aber gerne getan, zumal es auch ein sehr interessantes Kapitel zur Aufnahme war :yes4:

Das Bild natürlich ist die Krönung Deiner Story.

Also Tip an die nach mir Kommentierer, lesen
ist hier fast eine Pflicht.

Super Doku, und jetzigen gutes Nächtle ins Hessische Umland :drinks
L.g Stefan, der mit dem -f-

Lebe deinen Traum und träume nicht dein Leben...



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Beitragvon geggo » 26. Mai 2016, 00:48

zambiana hat geschrieben:Myriaden, Wolken, die den Himmel verdunkeln; läßt man ungewollt den Mund auf, wird man satt.


- köstlich. :good:

Dein Foto ist natürlich schon außergewöhnlich, mir wird auch schwindelig bei dem Gedanken, dass es sich um einen Freihandstack handelt.
Persöhnlich ist mir der HG etwas zu unruhig für das wusselige Motiv, aber mei, ist ja hier nicht malen nach Zahlen. :blush2:
Wie auch immer, gibt viel zu entdecken auf Deiner Aufnahme, lädt ein zum gucken.
Schöne Grüsse ,..
Schöne Grüsse, ........
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Beitragvon Manni » 26. Mai 2016, 09:44

Hallo Andrea

Boh,was eine geniale Aufnahme,auch den Stack finde ich absolut gelungen,
ein Motiv mit Seltenheitswert....so schön... :DH: :DH:
Liebe Grüße

Manni

JPG Nachbearbeitung ist wie Kochen aus Dosen - Die ursprüngliche Frische und Vielfalt ist für immer weg...
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Beitragvon VP » 26. Mai 2016, 15:51

Hallo Andrea,

endlich hat die Reserve (so nennen wir den Bereitschaftsdienst) mal was Gescheites für Dich
parat gehabt! Das die Parameter Alaska/Ende Mai/Libellen dann auch noch so zusammenpassen,
ist natürlich phantastisch. Da wäre ich auch gerne mit dabei gewesen...ein Erlebnis, was man nicht
alle Tage hat.
Das Photo vom genervtem Emerald finde ich sehr sehenswert. Man kennt vielleicht Libelle auf Libelle
oder Fliege auf Libelle, aber quasi eine Invasion, das habe ich noch nie gesehen. Wollen wir hoffen, daß
der Aushärtungsprozeß dadurch nicht beeinträchtigt wurde und der Emerald normal in sein Leben
starten konnte.

Auf die guten Seiten des Jobs und auf ein tolles Photo :drinks

Cheers,

Pete
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Beitragvon HST » 26. Mai 2016, 21:26

Hallo Andrea,

na klar doch, ich habe alles gelesen!
Danke für die Einleitung und Info!
Eine gute und interessante Aufnahme, sehr sehenswert!

Grüße
Siegfried
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Beitragvon Enrico » 26. Mai 2016, 22:00

Hallo Andrea,

Ein sauberer Stack ! So von anderen Tieren belagert, außer evtl von Milben
habe ich noch keine Libelle gesehen.
Schön geschrieben und bildtechnisch einwandfrei umgesetzt !
LG Enrico
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Beitragvon Christian Zieg » 27. Mai 2016, 05:14

Hallo Andrea,

ich hätte Dir erzählen können, dass das genau der Tag der Rücksichtslosen Schlupfes war. Ich wollte Dir das noch Schreiben.
Man wies mich an. Doch ich vergaß. Verdammt. Zum Glück ist auf Deinen zauberhaften Instinkt verlass.
Was die Muck anbelangt. Sie kam ja zu zweit. Das war ein Angriff einer Muck-Armee. Sie wollten zuerst den Flughafen
kapern, dachten aber nicht daran, dasss eine Libelle noch keinen Hafen macht. Naja. Sie werden's nie lernen. Und
der hinteren wird's als erstes stinken.
Zum Bild.
Klasse Glanz in den Flügeln. Und dann noch die Muck(en) in schönster Mitschärfe. Sehr klasse Doku dieses kriegerischen
Aktes. Macht Freude.

Gruß, Christian
Ihr findet mehr meiner Fine Art Bilder auf meiner Webseite, die über die Namenssuche im Netz zu finden ist.
Zusätzlich findet man mich bei einem zu einem "sozialen Netzwerk" gehörigen Bilder-Netzwerk, auch mit meinem Namen, nachdem ein Punkt kommt und dann das Wort "fineart"

Die Möglichkeiten der deutschen Grammatik können einen, wenn man sich darauf, was man ruhig, wenn man möchte, sollte, einlässt, überraschen

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