Seite 1 von 2

Farbstiche und Weißabgleich

Verfasst: 19. Sep 2009, 11:45
von SunTravel
Gibt es überhaupt neutrale Farben, einen perfekten WB oder Möglichkeiten das unzweifelhaft richtig zu machen?

Aus meiner Sicht NICHT!!!!! Jedenfalls nicht bei Naturfotos im Freien.

Für eine komplett wissenschaftlich "korrekte" Farbwiedergabe ist eine komplett von der Farbtemperarur gleichmäßige Beleuchtung notwendig. Die liegt aber bei den meisten Naturfotos nicht vor, im Schatten hat das Licht eine kältere Farbtemperatur als in der Sonne, oft sind aber schattige und sonnige Bereiche im Foto.

Ist z.B. ein Motiv dicht im Gras wird vom Umfeld auch in gewissen Maße farbsichiges Licht vom Gras reflektiert und fällt auf das Motiv.

Einigen wird sicher schon aufgefallen sein das bei einem Manuellen WB mit Graukarte, CBL oder vergleichbaren die Farben wärmer ausfallen als wir es mit den Augen vorort sehen.... Warum?

Nun wiel oft das Licht vorort eben oft wesentlich kälter ist als 5500K (normlicht), daher erscheinen die Farben fürs Auge kühler, bei Weiß macht unser Gehirn aber eine Ausnahme und wir empfinden Weiß trotzdem als Weiß.

Nachprüfen lässt sich das übrigends z.B. Mit dem Colormaster von Gossen

http://www.gossen-photo.de/pdf/colormaster_d.pdf

Damit lässt sich leicht ausmessen wie unterschidlich das Licht in der Natur ist, richtet man den colormaster in Richtung Wiese, Sonne, Himmel, Schatten zeigt sich schnell das aus jeder Richtung ein anderes Licht kommt.

Nun kann mann aber einiges davon mit selektiver EBV wegbügeln, nur sehen dann die Fotos aus wie in einem Lichtzelt im Studio aufgenommen, oder Teile von Insekten die eigentlich nicht neutralgrau sind werden einfach netralgrau eingestellt was ohne passendes biologisches Wissen dann von vielen als korrekt empfunden wird....

Aus meiner Sicht wirken Fotos immer noch am natürlichsten wenn man den WB vorort so einstellt das das Display auf der Cam im visuellen Vergleich mit dem Sucherbild möglichst genau übereinstimmt und später nichts mehr an den Farben, schon garnicht selektiv geändert wird.

Gruß

Uwe

Verfasst: 19. Sep 2009, 12:33
von ULiULi
Hallo Uwe,

unsere Farbwahrnehmung ist eine höchst subjektive Geschichte. Wir "wissen" halt, dass eine weiße Wand weiß ist. Ob früh morgens, mittags oder bei Regenwetter - die weiße Wand bleibt weiß, weil das Hirn uns sagt, dass sie weiß ist.

Messtechnik ist dagegen "doof". Sie hat kein Hirn welches vorschreibt, welche Farbe zu sehen ist. Daher hat die weiße Wand messtechnisch gesehen jedesmal eine ganz andere Farbe - abhängig von der jeweiligen Farbtemperatur der Lichtquelle(n).

M.E. hat es wenig Sinn ein Colormaster o.ä. auf das Motiv zu halten. Ich würde es immer auf die Lichtquelle richten - was aber schon bei zwei verschiedenen Lichtquellen an messtechnische Grenzen stößt.

Ich persönlich überlasse (faulerweise) den Weißabgleich fast ausschließlich der Kameraautomatik, merke mir aber den Farbeindruck, den ich von dem jeweiligen Motiv hatte. Sollte er nicht passen, kann ich die Farben ja leicht mittels EBV am PC korrigieren. Sehr, sehr wichtig ist dabei natürlich, dass mein Monitor gut kalibriert ist und dass der des Betrachters ebenfalls gut kalibriert ist.

Es ist für jeden Fotografen - besonders für die Einsteiger - wichtig, sich diese Zusammenhänge klar zu machen und sie im Hinterkopf zu behalten.

Deine eingangs aufgeworfene Frage würde ich mit nein beantworten. Es gibt immer einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen eine natürlich wirkende Wiedergabe gegeben ist. Allerdings ist das menschliche Auge durchaus in der Lage, auch leichte Farbstiche wahrzunehmen - insbesondere im direkten Vergleich zweier Versionen, finde ich immer eins richtiger als das andere. Frag ich dann meine Frau oder sonst jemanden, kommt nicht selten eine gegenteilige Antwort. Höchst subjektive Geschichte eben.

Gruß / ULi

Verfasst: 23. Sep 2009, 20:43
von manni53
Hallo Uwe,

es geht mir um RAW-Bilder, bei denen ich den Weißabgleich bis jetzt immer nachträglich im Adobe Camera Raw mache.
Während ich den Rot-Grün-Schieber praktisch nie anfassen muß, ist eigentlich immer eine moderate Verschiebung nach Gelb um ca. 300 nötig.

Manchmal kommt es vor, daß in einem Bild Etwas, das ungefähr Grau sein sollte, leicht ins Violette geraten ist.
Mit der Verschiebung nach Gelb ist es dann schon ganz gut aber oft wird dabei Grün viel zu grell.
Mit anderen Worten: manchmal ist farblich nichts Vernünftiges aus dem Bild zu machen, obwohl ich vor Ort gar nicht diesen Eindruck hatte.

Mittlererweile frage ich mich, ob nicht doch etwas an diesem CBL-Abgleich dran ist.
Da das Teil aber fast 100 Euro kostet und getragen werden will, wüßte ich doch gerne ganz genau, wo die Unterschiede im Verarbeitungsprozess zweier RAW-Dateien ohne / mit manuellem Weißabgleich sind.

Sind die Grauwerte des Bayer-Musters im Bildspeicher wirklich unterschiedlich?
Oder sind die Unterschiede nur in den Meta-Daten zu finden?
Was geschieht mit den Daten des Referenzbildes beim manuellen WB?
Es gibt ja auch Lichtzusammensetzungen, die aus mehreren starken Farbschwerpunkten bestehen.
Daß so etwas mit 2 Reglern nicht zu kompensieren ist, kann ich mir schon vorstellen.
In den Büchern von Uwe Steinmüller habe ich darüber nichts gefunden.
Er schreibt auch nur von gewissen "Vorteilen, die ein vernünftiger WB in der Kamera" hat.

Da ich manchmal doch nicht richtig zufrieden mit dem WB und ein neugieriger Mensch bin, fängt die Sache an, mich zu interessieren.
Muß mal sehen, was ich so finde.

Verfasst: 23. Sep 2009, 21:33
von M.Gebel
Hi Uwe

Unterstreiche dein posting in fast allen punkten. (bis auf selektive korrektur)

Eine weißabgleichjustage mit einer graukarte z.b., funktioniert im freien nur bedingt.
Würde man eine karte direkt neben das gesicht eines models halten und seine cam
calibrieren, würden die hauttöne in den bildlichen ergebnissen sicherlich gut wieder-
gegeben werden. Vorraussetzung dafür ist, dass die lichtintensivität und die licht-
farbe auch konstant sind. Das heißt ergo... man müsste in der makrofotografie eine
microprozessorgroße minigraukarte, direkt neben einem ruhenden marienkäfer, in
eine wiese legen, um seine cam auf das licht und der lichtfarbe des mikrokosmoses
abzugleichen. Das kann aber schon wenige milimeter neben des marienkäfer wieder
anders sein, sodass selbst dort der weißabgleich wieder daneben hängt. Das thema
"streulicht" und "farbreflexionen" sind eigene themen. ;-) ...sowie theorie und
praxis.

Ich denke wir sind einer meinung!

;-)

Verfasst: 23. Sep 2009, 21:50
von Manni
Hallo Uwe

SunTravel hat geschrieben: Aus meiner Sicht wirken Fotos immer noch am natürlichsten wenn man den WB vorort so einstellt das das Display auf der Cam im visuellen Vergleich mit dem Sucherbild möglichst genau übereinstimmt und später nichts mehr an den Farben, schon garnicht selektiv geändert wird.


Das ist auch für mich mittlerweile die beste Methode,
um nicht nachher bei der EBV verzweifelt versucht,
die Farben richtig einzustellen.

Verfasst: 23. Sep 2009, 22:00
von Werner Buschmann
Hallo Uwe.

:wink:

Teile deine Meinung.
Bei der Diskussion von Farbeindrücken von eingestellten Bildern
sollten wir zumindest keine militanten Standpunkte vertreten.
Schon gar nicht unsere Vorschläge in ein mathematisches Gewand kleiden.
Wir sollten gar nicht erst den Eindruck erwecken, dass es da eine
so ohne weiteres feststellbare optimale Farbgestaltung geben kann.

Das heißt nicht, dass es nicht Bilder mit offensichtlichem Farbstich
gibt, dass heißt auch nicht, dass die Farbgebung eines Bildes beliebig ist.
Beim Versuch, ein Optimum zu finden sollten wir aber eher Aspekte
und Einschätzungen austauschen als objektive Wahrheiten.

Letztlich brauchen wir keine mechanisch anzuwendenden Rezepte, sondern neben
Weißabgleich vor Ort oder in der Regel Vertrauen auf den automatischen
Weißabgleich der Kamera, EBV-Workflows mit denen man, je nach persönlicher
Einschätzung, sich einer farblichen Bildoptimierung annähern kann.

Werner

Verfasst: 23. Sep 2009, 22:12
von M.Gebel
@Manni:

Ich sehe es auch so... vor ort den weißabgleich möglichst genau einstellen und man hat @home
wesentlich weniger arbeit. Dennoch sehe ich sinn in der selektiven farbkorrektur, weil jeder ka-
merahersteller seinen cams/convertern unterschiedliche "farbinterpretationen" einimpft. Selbst
verschiedene modelle eines herstellers, weisen unterschiedliche "farbverliebtheiten" auf. Wenn fritz,
toni, hans und franz mit unterschiedlichen modellen auf fototour gehen und das selbe motiv ablichten,
wird jeder farblich unterschiedliche ergebnisse nach hause bringen - selbst dann, wenn jeder mit
akrebie, vorher den weißabgleich aufs bestmögliche austariert. Deshalb sehe ich schon sinn darin,
seine fotos, farblich selektiv auszubalancieren. Wer dies aus überzeugung nicht "tut", beugt sich aus
meiner sicht den farbphilosophien der jeweiligen kamerahersteller.

;-)

Verfasst: 25. Sep 2009, 14:36
von SunTravel
@Markus

Wenn fritz,
toni, hans und franz mit unterschiedlichen modellen auf fototour gehen und das selbe motiv ablichten,
wird jeder farblich unterschiedliche ergebnisse nach hause bringen - selbst dann, wenn jeder mit
akrebie, vorher den weißabgleich aufs bestmögliche austariert. Deshalb sehe ich schon sinn darin,
seine fotos, farblich selektiv auszubalancieren. Wer dies aus überzeugung nicht "tut", beugt sich aus
meiner sicht den farbphilosophien der jeweiligen kamerahersteller.


Nicht unbedingt, besonders nicht wenn man sein RAW proggie auf die Kamera kalibriert hat. Beii Canon gibt es auch noch die Möglichkeit in der Kamera den WB in 5 Mired Abstufungen in Richtung Blau/Gelb und Magenta/Grün fein zu tunen.

@Mark

danke für Deine physikalisch korrekten in die Tiefe gehenden Ausführungen. Ich denke das mit der Farbtemperatur hat sich eingebürgert weil es einfacher zu verstehen ist ohne in die Tiefe der Farbenlehre zu gehen.

Gruß

Uwe

Verfasst: 26. Sep 2009, 10:32
von SunTravel
Hi Mark,

noch mal so ein guter Beitrag von Dir, vielen Dank.

Dem stimme ich fast komplett zu, nur der WB mit Graukarte ist nicht optimal, weil diese im violetten Bereich Schwächen hat, eine CBL gibt aus meiner Sicht das Farbspektrum besser wieder.

Leider bietet auch nicht jede Cam eine RGB Histogramm Ansicht, das ist etwas worauf ich beim Kauf auch achten würde.

Gruß

Uwe

Verfasst: 26. Sep 2009, 14:42
von manni53
Hallo zusammen!

Mark, wenn die Regler rot-grün und blau-gelb sich gegenseitig beeinflussen, verstehe ich auch, warum ich manchmal Schwierigkeiten habe. Bei diesen vier Farben ist doch eine zuviel, richtig?

Hier noch die Infos, die ich im Netz gefunden habe:
Die Daten, sowohl des manuellen als auch des automatischen WB in der Kamera, haben erstmal keinen Einfluß auf die RAW-Datei, sondern werden in die Meta-Daten geschrieben. Nur die Empfindlichkeit (ISO), die Verschlußzeit und die Blende gehen direkt in das RAW-Ergebnis ein. Später, im RAW-Konverter, bilden u.a. diese Daten dann die Ausgangsstellungen der Regler ab, die in beiden Fällen dann schon nicht mehr den Mittelstellungen dieser Regler entsprechen. Diese Ausgangsstellungen können dann vom Anwender bei Bedarf verändert werden.

Eine Einschränkung der Bildqualität durch Inanspruchnahme von Regelbereich im RAW-Konverter, wie sie Uwe in einem früheren Beitrag befürchtet hatte und wie sie auch von Mark jetzt beschrieben wird, trifft also dann für beide Arten des WB zu. Sie ist um so größer, je weiter die Stellung eines Reglers beim Schließen des Konverters von seiner Mittelstellung abweicht. In diesem Punkt hat also dann der manuelle gegenüber dem automatischen WB in der Kamera grundsätzlich keinen Vorteil. Die von Mark vorgeschlagene Profilierung der Kamera hingegen würde wenigstens den immer gleich bleibenden Teil der Abweichung, der durch die Kamera verursacht wird, vorher ausregeln.

Der manuelle WB in der Kamera ist also eher wie eine Art elektronischer Merkzettel für die Farbtemperatur des Lichtes vor Ort anzusehen. Da aber der persönliche Geschmack auch eine Rolle spielt, kann er den manuellen WB im Konverter imA zwar nicht ersetzen (wie auch Markus schreibt), aber vereinfachen (wie auch Uwe schreibt).

Gemeinsam entwickeln wir uns weiter.
Weiterentwicklung klappt besonders gut, wenn jemand nie vollständig mit seinen Ergebnissen zufrieden ist. Uwe geht der Sache mit dem Colormaster auf den Grund und ich frage mich, ob ich mir auch eine CBL kaufen soll.

Uwe, wenn du die Lichtsituation mit dem Colormaster ausmessen kannst, bist du in der Lage, mit Konversionsfiltern vor der profilierten Kamera die Farbtemperatur so einzustellen, daß die Regler des WB beim Schließen des Konverters sich in ihren Mittelstellungen befinden. Dann hättest du einen WB, der für den Dynamikbereich deiner Kamera + Konverter das Maximum rausholt, richtig?

So - und ich baue jetzt lieber mein Wander-Makro-Stativ weiter.