Verwirr“spiel“ der Baumwanze Nezara viridula

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
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Felix Speiser
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Verwirr“spiel“ der Baumwanze Nezara viridula

Beitragvon Felix Speiser » 16. Okt 2014, 18:18

Vor einigen Jahren fotografierte ich ein Eigelege auf einem Salatblatt aus dem Supermarkt. Die schlüpfenden „Winzlinge“ (Bild 1) waren, trotz zeitlichem Kochstress, ein Muss für ein spontanes Fotoabendteuer. Die „Schnappschüsse“ wurden aber ins Archiv verbannt, da sie zwar interessant, qualitativ aber nicht erhaben waren. Vor wenigen Tagen nun machte mich mein Bruder auf wunderschöne Wanzen in seinem Garten aufmerksam und der Zufall wollte es, dass ich gleich darauf in unserer Nähe an einem Feldrand grosse Brennesselsträucher mit eben diesen farbenfrohen Wanzen entdeckte. Was für eine Freude in einer Zeit, in der wir ja beinahe über jede Stubenfliege froh sein müssen, die in unserer insektenfeindlichen Welt noch überleben kann.

Eine kurze Audienz mit „Herrn Googel" führte mich rasch zum Beitrag von Stefi im Makroforum vom Juli 2008 ( http://www.makro-forum.de/viewtopic.php?t=22903 ) und zum wissenschaftlichen Namen dieser interessanten Wanzenart. Übrigens, Googel ist reich an stimmig (plausibel) scheinenden Berichten über diese sich von Afrika nach Norden in die ganze Welt (Europa, Asien, Amerika) ausbreitende Wanze. Ich hatte das Glück, mit Ausnahme des ersten Nymphenstadiums auf ihrem Eigelege alle weiteren Entwicklungsstadien auf den Brennesselstauden zu finden. Die nachfolgende Bildserie soll deshalb die schöne Serie von Stefi ergänzen. Im Focus stehen die verschiedenen Entwicklungsstadien, die Nymphen, welche sehr unterschiedlich gemustert und gefärbt sein können. Umso erstaunlicher ist dann das „Schlussresultat“, die gleichförmig grün gefärbte Imago. Wer würde bei diesen auffälligen Nymphen schon an eine eher unscheinbare grüne Wanze denken? Da musste ich dann schon noch ein weiteres mal „Herrn Googel“ konsultieren.

Die Aufnahmen (2-5) erfolgten mit einer Nikon D700, Nikkor Macro 105mm, ISO 400 - 800, f = 6.5 - 11, t = 1/80“ - 1/400“. Einfach war es nicht; die Tierchen waren, wenn auch behäbig, immer in Bewegung, was bei ständigen Windböen und einem doch grossen Abbildungsmasstab von ca. 1:1.5 trotz Stativ eine kleine Herausforderung war.

Bild 1
Eigelege mit schlüpfenden ersten Nymphen, (man sieht in der vorderen Reihe des Eigeleges Beinchen der ersten Nymphen hervorschauen und ihre Körper durch die Eiwand schimmern. Links liegen zwei abgeworfene Eideckel. Rechts vorne verlässt eine Nymphe 1 das Eigelege. Sie wird sich in 1 - 2 Wochen, je nach Witterungsbedingungen, zur Nymphe 2 häuten. Diese Nymphen 1 erinnern eigentlich eher an Marienkäferlarven und lassen die farbliche und strukturelle Vielfalt der nächsten Nymphenstadien bis zur Imago nicht erahnen.

Bild2
Eine nun schwarz gefärbte Nymphe 2 ernährt sich an einem Blattnerv

Bild 3
Nach weiteren ca. 2 Wochen schlüpfen die Nymphen 3, welche nun auf dem schwarzen Körper ihre charakteristische Punktzeichnung aufweisen. Der Bauch dieser oval abgerundeten Nymphen kann sehr unterschiedlich gefärbt (grün, orange, rot) sein. Auch die Punkte können verschiedene Farbvarianten aufweisen.

Bild 4
Bei der Nymphe 4 erhält der Rückenschild seine Grundform und der Körper zieht sich mehr in die Länge.

Bild 5
Die Nymphe 5 ist in ihrer Grundfarbe grün und der Rückenschild weiter ausgeprägt.

Bild 6
Das fertig ausgebildete Tier (Imago) hat mit den Entwicklungsstadien (Nymphen) äusserlich nicht mehr viel gemeinsam. Seine Grundfarbe kann je nach Variante (Lebensraum) unterschiedlich sein und erhält auch unterschiedliche wissenschaftliche Zusatzbezeichnungen.

Erstaunlich nicht wahr: Von rot/schwarz gestreift (Nymphe 1) über uniform schwarz (Nymphe 2), dann gelb/weiss/ auf schwarz gepunktet mit grünen oder orange/roten Bäuchen (Nymphe 3, 4), dann über hell auf schwarz (Nymphe 4) oder grün (Nymphe 5) gepunkteten und schliesslich bis hin zu farblich gleichförmigen grünen Körpern der ausgewachsenen Tiere findet die variantenreiche Entwicklung dieser Wanzenart in insgesamt etwa 6 - 10 Wochen statt. Zufügen muss man noch die sehr dunkel bis schwarz gefärbten und zur Überwinterung bereiten Exemplare. Interessant wäre es nun von einer Fachperson zu erfahren, welcher biologische/ökologische Evolutionsdruck zu dieser Vielfalt geführt hat und welches der „tiefere Sinn/Zweck“ ist.

Ich hoffe, dass Ihr an diesem Bericht gefallen finden könnt. Inhaltliche Berichtigungen und/oder Ergänzungen sind höchst willkommen. Wer dazu weitere Bilder beisteuern möchte, ist herzlich eingeladen und hiermit aufgefordert dies zu tun ;-)

Mit herzlichem Gruss, Euer,
Felix
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Beitragvon Felix Speiser » 16. Okt 2014, 18:21

Nun,
da der Upload beschränkt ist, folgt die Imago etwas später ;-)
LG Felix
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Beitragvon Felix Speiser » 17. Okt 2014, 11:38

Hier nun die "Auflösung", das "Schlussresultat", die Überraschung, die Imago ;-)
LG Felix
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Beitragvon Sven A. » 17. Okt 2014, 23:12

Moin Felix,
das sind sehr hübsche Wanzen :-)
Die einzelnen Stadien kannte ich so auch noch nicht,
besonders die Kinderstube finde ich faszinierend.
Am schönsten sind sie für mich im vorletzten Stadium.
Danke für die Infos und die tollen Bilder!

Viele Grüße
Sven
ᘿS ᒪᘿᗷᘿ ᕲᓰᘿ ᐺᓰᘿᒪᖴᗩᒪᖶ ᑘᘉᕲ ᕲᘿᖇ ᗩᒪᑘᕼᑘᖶ!
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Beitragvon winterseitler » 18. Okt 2014, 05:58

Hallo Felix,

danke für diese gelungene Darstellung der Lebensstadien dieser Wanze. Ich ging schon immer mit offenen Augen durch die Natur aber die durch die Makrofotografie gewonnenen Einblicke sind immer wieder überraschend, lehrreich und vor Allem wunderschön.

Die Kinderstube finde ich besonders interessant.
Viele Grüße aus dem Schwarzwald

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Beitragvon Gabi Buschmann » 18. Okt 2014, 11:05

Hallo, Felix,

da ist dir eine tolle Doku der verschiedenen Stadien
gelungen, gefällt mir sehr gut. Klasse, dass du das
erste Foto wieder aus dem Archiv holen und auf solch
gelungene Weise ergänzen konntest.
Vielen Dank fürs Zeigen.
Liebe Grüße Gabi
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Beitragvon Guppy » 18. Okt 2014, 11:10

Hallo Felix

Eine sehr schöne Documentation.
Du öffnest einen Bereich der unendlich schön ist.

Vielen Dank

Kurt
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Beitragvon Werner Buschmann » 22. Okt 2014, 12:03

Hallo Felix,

ja, das nenne ich mal interessant.

Das ganze Leben einer grünen Stinkwanze
präsentierst Du.

Von der Geburt, über Kindheit, Jugend bis
zum Erwachsenenstatus.

Was für eine gelungene Wanzenbiographie.
________________
Liebe Grüße, passt auf Euch auf und vergesst das Lächeln nicht!
Werner
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im Forum gezeigten Bilder.
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Beitragvon hawisa » 23. Okt 2014, 08:05

Hallo Felix,

eine sehr interessante Doku.
Selten beobachte ich ja ganze Zyklen der einzelnen Insekten.
Deshalb ist es sehr schön, hier im Forum solche Dokus betrachten zu können.

Danke fürs Zeigen

Gut Licht
Willi
Liebe Grüße und immer "Gut Licht"
Willi

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Beitragvon rincewind » 6. Nov 2014, 23:06

Hallo Felix,

danke für diese sehr interessante Doku, prima recherchiert und bebildert.

LG Silvio

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