Hautflügler - hochspezialisierte Lebenskünstler

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
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Jürgen Fischer
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Hautflügler - hochspezialisierte Lebenskünstler

Beitragvon Jürgen Fischer » 27. Feb 2018, 22:08

Hallo liebe Makrofreunde,

Nachdem ich mit Begeisterung und viel Interesse Anjas tolle Einführung in die Hautflügler gelesen habe:
Die Welt der Hautflügler in ihrer Vielfalt,
habe ich mich gefragt, ob es nicht angebracht wäre, die große Vielfalt dieser faszinierenden Insektengruppe, die Anja
anschaulich beleuchtet hat, mit einigen Dokubilder zu ergänzen und zu untermauern.

Und nachdem Winterzeit ja Dokuzeit ist, hab ich meine Festplatte nach geeigneten und nicht zu alten Bildern durchforstet.
Auch wenn da nur selten Galeriequalität dabei ist denke ich doch, einige Szenen zeigen zu können, die man nicht bei jeder Makrotour
finden kann.
Ach ja, die Bestimmung der Tiere, deren Ordnung mir auch noch weitgehend fremd ist, bleibt meinerseits bei einigen Arten im Bereich der
sich annähernden Vermutung. Auch ein Hymispezialist, den ich befragt habe, konnte mir nur bestätigen, dass anhand von Fotos Bestimmung
in vielen Fällen sehr unsicher ist.
Trotzdem, viel Spaß, dem der Interesse daran hat.

Bild 1: Bienenwolf (Philanthus triangulum) - Familie Grabwespe auf einer Blüte bei der Nahrungsaufnahme. Bienenwölfe ernähren sich von Nektar. Allerdings sitzen sie auch gern auf Blüten um anfliegenden Honigbienen aufzulauern. Durch ihre wespenähnliche Zeichnung kann man sie leicht mit z.B. Feldwespen verwechseln. Der dicke Kopf, die roten Wangen und die auf den ersten Hinterleibssegmenten vorhandenen, nach hinten zeigenden, schwarzen Dreiecken (triangulum) weisen dann aber doch auf den Bienenwolf hin.

1 Philanthus-triangulum Bienenwolf nimmt Nektar auf.jpg (431.17 KiB) 1179 mal betrachtet
1 Philanthus-triangulum Bienenwolf nimmt Nektar auf.jpg


Bild 2. Die Grabwespe steht im Schwirrflug über der Brutkolonie. Dabei sind die kurzen Fühler immer nach vorne gerichtet. Die selbstgegrabenen Nisthöhlen werden aber hauptsächlich optisch über das Einprägen von Geländemarken gefunden. Deswegen sollte man beim Fotografieren der Tiere auch gut aufpassen, dass man keine Veränderungen im Umfeld der Löcher vornimmt. Die Tiere würden dann nur noch schwer oder gar nicht mehr ihre gegrabenen Gänge finden.
2 Philanthus triangulum - Bienenwolf im Schwirrflug.jpg (309.81 KiB) 1161 mal betrachtet
2 Philanthus triangulum - Bienenwolf im Schwirrflug.jpg


Bild 3. Hat die Grabwespe eine Biene entdeckt, vergewissert sie sich über den Geruchsinn, ob es sich wirklich um eine Honigbiene handelt. Blitzschnell wird die Biene dann "abgestochen", also mit dem Giftstachel gelähmt. Manche Bienen werden dann mit dem eigenen Hinterleib so zusammengedrückt, dass sie Nektartropfen über die Mundöffnung absondern, den dann der "Wolf" als Zusatznahrung aufnimmt. Die meisten Bienen werden aber im Flug zu den Erdhöhlen transportiert.

3 Philanthus triangulum - Bienenwolf mit Honigbiene.jpg (457.97 KiB) 1156 mal betrachtet
3 Philanthus triangulum - Bienenwolf mit Honigbiene.jpg


Bild 4: Nach einem kurzen Orientierungsflug über der Kolonie steht das Bienenwolfweibchen nur wenige Sekunden über dem Erdloch, wobei es einige Male hin und herpendelt. Fotos dieser Szene sind daher machbar, aber man hat doch auch ne Menge Ausschuss. Faszinierend aber immer wieder zu beobachten wie die schwere Beute zielsicher ans Nest geschleppt wird.
4 Philanthus triangulum - Bienenwolf mit Biene im Landeanflug.jpg (474.54 KiB) 1154 mal betrachtet
4 Philanthus triangulum - Bienenwolf mit Biene im Landeanflug.jpg


Bild 5+6: Einmal gelandet geht die Sache blitzschnell weiter und der Wolf verschwindet zügig unter der Erde.
Pro Brutzelle werden 2-7 Honigbienen eingetragen, abhängig davon ob die Nachkommen männlich oder weiblich sind.

5 Philanthus triangulum - Bienenwolf am Nesteingang.jpg (462.76 KiB) 1152 mal betrachtet
5 Philanthus triangulum - Bienenwolf am Nesteingang.jpg

6 Philanthus triangulum - Bienenwolf verschwindet im Nest.jpg (479.56 KiB) 1151 mal betrachtet
6 Philanthus triangulum - Bienenwolf verschwindet im Nest.jpg








Bild 7: Die nächste Art kann ich nicht sicher bestimmen, aber das Aussehen und die erlegte Beute legen die Vermutung nahe, dass es sich um Tachysphex pompiliformis handelt, eine kleine Grabwespe, die sich auf Feldheuschreckenlarven spezialisiert hat. Zudem ist sie eine der häufigste Art der Gattung. Auch der Lebensraum, ein lichter Eichen-Mittelwald erhöht die Wahrscheinlichkeit der Bestimmung.
Nach der Lähmung der Schrecke umrundet die Wespe die Larve mehrere Male um die beste Stelle zum Zubeißen auszumachen.

7 Tachysphex-cf pompiliformis-ergreift Beute.jpg (454.28 KiB) 1148 mal betrachtet
7 Tachysphex-cf pompiliformis-ergreift Beute.jpg


Bild 8: Abgeschleppt wird dann nach meiner Beobachtung immer mit einem Biss in die Fühler. Und obwohl der Transport, so halb über der Schrecke laufend sicher nicht einfach ist, geht er zügig und mit wenig Pausen von statten.
8 Tachysphex-cf pompiliformis-schleppt Beute ab.jpg (471.45 KiB) 1148 mal betrachtet
8 Tachysphex-cf pompiliformis-schleppt Beute ab.jpg







Bild 9: Eine weitere Grabwespe ist die recht gut bestimmbare Heuschreckensandwespe (Spex funerarius syn.: rufocinctus = maxillosus). Die große Art, deren Weibchen ausschließlich große Laubheuschrecken (Metrioptera, Platycleis, Bicolorana und Roeseliana) eintragen, war lange Jahre in Deutschland verschollen, hat sich aber wieder angesiedelt und zeigt regional starke Populationen. Bei der wärmeliebenden Art wohl auch auf die Klimaerwärmung zurückzuführen. Eindrucksvoll und immer ein Erlebnis für den Makrofotografen sind die großen Schlafgesellschaften der Männchen.

9 Sphex funerarius Schlafnest der Männchen.jpg (330.57 KiB) 1145 mal betrachtet
9 Sphex funerarius Schlafnest der Männchen.jpg







Bild 10: Eine weitere Gruppe der "Killerwespen" stellt die Familie der Wegwespen dar. Ihre bevorzugte Beute sind ausschließlich Spinnen, wobei wieder die meisten Arten ganz bestimmte Spinnenfamilien jagen. Die vorgestellte Art gehört wohl zur Gattung Arachnospila, bei über 20 extrem ähnlichen Arten ist hier eine weitere Bestimmung nicht möglich. Im Bild sieht man wie das extrem langbeinige Tier die erbeutete und bereits gelähmte Wolfspinne der Gattung Trochosa umrundet um den Abtransport vorzubereiten.
10 Arachnospila schleicht an.jpg (476.05 KiB) 1144 mal betrachtet
10 Arachnospila schleicht an.jpg


Bild 11. Die beste Bissstelle ist nach einigen Minuten ertastet.
11 Arachnospila packt zu .jpg (263.07 KiB) 1144 mal betrachtet
11 Arachnospila packt zu .jpg


Bild 12: Der Transport ist eine Meisterleistung. Frei schwebend, nur an einer Körperstelle hochgehalten wird die schwere, da gut genährte Spinne (Es ist ein Weibchen) teils über Kopfhöhe in einem Kraftakt abtransportiert.
Da sich die Szene auf einer gut befahrenen Landstraße abspielte, musste ich aufpassen nicht unter die Räder zu kommen!
12 Arachnospila transportiert ab.jpg (462.57 KiB) 1144 mal betrachtet
12 Arachnospila transportiert ab.jpg








Bild 13. Die letzte Art der Serie dürfte die Wegwespe Agenioideus cinctellus sein, eine recht kleine, überwiegend dunkel gefärbte Art. Sie erbeutet Krabbenspinnen, oder wie in meinem Fall Springspinnen (hier Dendryphantes rudis).
Diese werden dann z.B. in Nester in Holzspalten eingetragen. Mein Exemplar schleppte die Springspinne knappe zwei Meter senkrecht in einer Spalte in einem toten Stamm nach oben.
13 Agenioideus-cinctellus-Wegwespe.jpg (436.54 KiB) 1139 mal betrachtet
13 Agenioideus-cinctellus-Wegwespe.jpg





Zuletzt geändert von Werner Buschmann am 28. Feb 2018, 22:33, insgesamt 27-mal geändert.
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Beitragvon Jürgen Fischer » 27. Feb 2018, 22:19

Damit bin ich erst mal am Ende mit der kleinen Doku über, aus meiner Sicht hochinteressante und hochspezialisierte Lebensentwürfe aus der Welt der Hautflügler. In einer weiteren Folge möchte ich dann noch ein paar weniger "gefährliche" Hymenopteren vorstellen.

LG Jürgen
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Beitragvon hawisa » 28. Feb 2018, 08:18

Hallo Jürgen,

eine sehr sehenswerte Doku hast du erstellt.
Da habe ich viel gelernt.

Da ich solche Szenen noch nicht selbst gesehen habe, sauge ich die Doku auf und erfreue mich an den Bildern.

:good: :good: :good: :good: :good:
Liebe Grüße und immer "Gut Licht"
Willi

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Beitragvon Werner Buschmann » 28. Feb 2018, 22:18

Hallo Jürgen,

vielen Dank für diese tollen Einblicke in das Leben von Grabwespen.
Die von Dir gezeigten Arten jagen andere Hautflüger, oder Spinnen oder Heuschrecken,
um sie als Nahrungsmitteldepot für ihre Brut zu verwenden.
Tolle Beobachtungen, in sehr guter Qualität festgehalten und mit vielen interessanten Informationen versehen.

:ok:
________________
Liebe Grüße, passt auf Euch auf und vergesst das Lächeln nicht!
Werner
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Meine Sternebewertung beziehen meine Bewertung immer auf die Gesamtheit der
im Forum gezeigten Bilder.
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Hautflügler - hochspezialisierte Lebenskünstler

Beitragvon schaubinio » 28. Feb 2018, 22:33

Hallo Jürgen, großes Kino :DH: :DH:
Unglaublich starke Bilder, tolles Hintergrundwissen
und viele Informationen über das Leben der Hautflügler.

Eine Doku die ich mit großem Interesse verfolge. :ok:
L.g Stefan, der mit dem -f-

Lebe deinen Traum und träume nicht dein Leben...



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Hautflügler - hochspezialisierte Lebenskünstler

Beitragvon Otto G. » 1. Mär 2018, 00:35

Hallo Jürgen

vielen Dank für die überaus spannenden und interessanten Informationen,mehr noch bin ich wieder fasziniert
von der Qualität deiner Bilder,unfaßbar,was du da abgelichtet hast.

Gruss
Otto
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Hautflügler - hochspezialisierte Lebenskünstler

Beitragvon Gabi Buschmann » 1. Mär 2018, 11:05

Hallo, Jürgen,

das ist wieder eine tolle und sehr interessante Doku in Wort und Bild geworden!
Die Spezialisierung der verschiedenen Arten auf unterschiedliche Beutetiere ist spannend und
du hast das in sehr eindrucksvollen Bildern dokumentiert. Diese Meisterleistungen des Transports
finde ich sehr faszinierend und beeindruckend. Vielen Dank dafür!

Jürgen Fischer hat geschrieben:Quelltext des Beitrags Deswegen sollte man beim Fotografieren der Tiere auch gut aufpassen, dass man keine Veränderungen im Umfeld der Löcher vornimmt. Die Tiere würden dann nur noch schwer oder gar nicht mehr ihre gegrabenen Gänge finden.



Soche Hinweise finde ich sehr wertvoll und es zeigt, wie wichtig die Artenkenntnis
für den Makrofotografen ist, wenn er keine Schäden anrichten will, die für die
fotografierten Spezies fatal sein und z. B. ihre Vermehrung verhindern können.
Liebe Grüße Gabi
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Hautflügler - hochspezialisierte Lebenskünstler

Beitragvon Maring » 1. Mär 2018, 12:36

Hallo Jürgen,

eine ganz starke und beeindruckende Doku. D A N K E :good:
Viele Grüße

Ingrid
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Beitragvon jo_ru » 1. Mär 2018, 14:11

Hallo Jürgen,

danke für diese in Wort und Bild vorbildliche Doku!
Man müsste sich auch diesen Tieren noch mehr widmen,
Deine Doku hilft dabei, sie besser zu verstehen:
Ein sine qua non für Aufnahmen dieser Aussagekraft und Qualität.
Gruß Joachim

Alle meine Bilder stehen grundsätzlich für das Artenportal zur Verfügung - ein kurzer Hinweis genügt.
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Beitragvon Freddie » 1. Mär 2018, 16:14

Jürgen Fischer hat geschrieben: Die selbstgegrabenen Nisthöhlen werden aber hauptsächlich optisch über das Einprägen von Geländemarken gefunden.
Deswegen sollte man beim Fotografieren der Tiere auch gut aufpassen, dass man keine Veränderungen im Umfeld der Löcher vornimmt.
Die Tiere würden dann nur noch schwer oder gar nicht mehr ihre gegrabenen Gänge finden.


Hallo Jürgen,

das kann ich (leider) nur bestätigen.
Ich habe letztes Jahr nicht aufgepasst.
Der Bienenwolf suchte sich anschließend "einen Wolf".

Flugbilder sind amS sehr schwierig.
Von daher Hut ab vor deinen scharfen und gut gemachten Fotos.

Auch die weiteren Dokus belegst du mit interessanten Infos und tollen Bildern.

Alles in allem hochinteressant und absolut sehenswert.
Mein GW zu diesen Fotos und danke fürs Zeigen!
Meine Kritiken spiegeln nur meine persönliche Ansicht wider.
Sie sollen helfen, sind aber völlig unverbindlich und keinesfalls böse gemeint.
Alle hier von mir gezeigten Bilder dürfen ungefragt für die Artengalerie verwendet werden.
Liebe Grüße und allzeit Gut Licht, Friedhelm.

Hier könnt Ihr meine Homepage besuchen: http://freddies-makro-blog.blogspot.de/

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