Die Wilde

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
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Thorsten
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Die Wilde

Beitragvon Thorsten » 20. Apr 2009, 21:32

Das ist sie: Die Wilde Tulpe (Tulipa sylvestris). - Keine Zuchtform, keine Kreuzung und auch nicht genmanipoliert ;-)

Ein echter "Ureinwohner", einheimisch (!)

So dachte ich bis jetzt immer, hab mich aber mal "schlau gelesen".... Ich habe das Glück hier mitten in Hamburg nur 2 km von einem noch sehr individuenreichen Bestand der Wilden Tulpe zu wohnen, die vor ein paar Tagen am Elbhang in voller Blüte standen.
Beschäftigt man sich ein wenig näher mit dieser schönen Pflanzenart, so erfährt man: Sie ist nicht einheimisch!

Sie ist ein sogenannter Archäophyt, d.h. sie ist in Mitteleuropa zwar nicht ursprünglich heimisch, aber schon sehr lange eine etablierte Art, sich selbst und ohne Zutun reproduzierend, Bestandteil unserer Flora.
Man unterscheidet indigene Arten (schon immer auch ohne Menschen bei uns ursprünglich vorkommend) von Archäophyten und Neophyten.

Definitionsgemäß sind Archäophyten Pflanzenarten, die durch menschlichen Einfluss in (prae-)historischer Zeit vor der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus (1492) eingebürgert wurden und sich fest etabliert haben. Ursprungsländer dieser Arten sind meist Mittelmeerländer oder der vordere Orient. Viele dieser Arten sind infolge der "Erfindung" des Ackerbaus seit der Steinzeit, über die Römer bis hin zu den ersten Kultivierungen schön blühender Zierpflanzen bei uns eingeschleppt worden - die Wilde Tulpe ist eine davon, ... eine von nicht weniger als ca. 230 Arten, von denen wir uns teilweise gar nicht mehr vorstellen können, dass sie eigentlich mal NICHT hier waren - Kultur ist für uns Natur geworden...
Neophyten bezeichnet man dann Pflanzenarten, die nach Kolumbus bei uns eingeschleppt wurden, teilweise mit sehr bedenklichen Folgen und oft aus Übersee... aber das ist ein anderes Thema.
Bei Tieren gibt es das natürlich auch: Archäozoen sind z.B. der Fasan, das Damwild, die Hausmaus usw...

Zurück zur Wilden Tulpe:
Einheimisch ist sie am Mittelmeer, wo es auch noch weitere Arten "wilder" Tulpen gibt. Wann sie zu uns kam oder wer sie mitgebracht hat, weiß natürlich niemand. Zumindest mag sie Wärme und steht auch gerne z.B. in Weinbergen. Jene gibt es hier in Hamburg (noch) nicht, aber der südexponierte (nördliche) Elbhang ist für sie sehr geeignet. Anders als viele Zuchtformen öffnet sich die Blüte vollständig und bildet keinen so engen Kelch. Es gibt sie auch eizig und alleine in gelb. Sie ist ein Frühjahrsblüher und wächst normalerweise gerne in schattigen Gebüschen besonders gut.

Ein paar Bilder dieser Pflanze, die ich am Freitag geschossen habe, möchte ich Euch hier zeigen...
Ich hoffe, sie gefallen.

Nochmal kurz zum Thema "Archaeophyt = nicht heimisch, sondern vor langer Zeit bei uns durch Menschen eingebürgert": Es ist schon erstaunlich, wer alles dazu gehört: Z.B. der Spitz-Wegerich, die Echte Kamille, die Kornblume und die Kornrade, das Pfaffenhütchen und natürlich zahlreiche Baumarten - und....: s. Bild 5!

Gruß, Thorsten

Edit - PS: Tja... ist schon irgendwie verwirrend und "unschön", das als Thumb in der Übersicht Bild 5 angezeigt wird.... sorry für vermeindliche Verwirrungen...
Dateianhänge
Tulipa sylvestris - Wilde Tulpe
Typisch geöffnete Blüten
TS_Tulipa_sylvestris_02.jpg (194.56 KiB) 1901 mal betrachtet
TS_Tulipa_sylvestris_02.jpg
Tulipa sylvestris - Wilde Tulpe
Ausschnitt aus einem Teil des großen Bestandes am Elbhang in Hamburg
TS_Tulipa_sylvestris_04.jpg (199.49 KiB) 1903 mal betrachtet
TS_Tulipa_sylvestris_04.jpg
Tulipa sylvestris - Wilde Tulpe
Im Gegenlicht (mit Blattlaus)
TS_Tulipa_sylvestris_01.jpg (195.25 KiB) 1903 mal betrachtet
TS_Tulipa_sylvestris_01.jpg
Tulipa sylvestris - Wilde Tulpe
Typischer, schattiger Wuchsort im halbschattigen Gebüsch
TS_Tulipa_sylvestris_06.jpg (194.37 KiB) 1898 mal betrachtet
TS_Tulipa_sylvestris_06.jpg
Archäophyt
Auch die Schachblume (Fritillaria meleagris) ist ein nicht ursprünglich bei uns heimischer Archäophyt (wobei das noch umstritten ist...).
Tja.... und die andere? Nein... auch das Gänseblümchen ist nicht wirklich heimisch! :-) - Wer hätte das gedacht?! - Bleiben also die Gäser, die in diesem Bild (vermutlich) wirkliche Ureinwohner Mitteleuropas sind... ;-)
TS_Fritellaria_meleagris_05.jpg (199.88 KiB) 1902 mal betrachtet
TS_Fritellaria_meleagris_05.jpg
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Beitragvon Frederik f56 » 21. Apr 2009, 08:32

Moin!
Coole kleine Doku mit tollen Bildern und unterhaltsam informativen Texten! Die Tulpenwiese ist ja beeindruckend, ich hoffe, da ist ein Zaun drum!

Insbesondere beim Gänseblümchen war ich erstaunt. Da sieht man mal, wieviel Einfluss auf die heimische Flora und Fauna der Mensch tatsächlich schon genommen hat. Und das, wenn ich Wiki richtig gelesen habe, einfach durch Anlegen von Wiesen, welche den passenden Standort für die Gänseblümchen bilden....

Grüße
Fred
läuft?..................LÄUFT!!! Immer gutes Licht Euch allen!
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Beitragvon Benjamin » 21. Apr 2009, 21:44

Hallo Thorsten,

eine sehr schöne Doku!
Ich hatte vorher noch nie wilde Tulpen gesehen (oder diese nicht als solche wahrgenommen).
Und ich wußte auch bei den meisten der von dir genannten Arten nicht, daß sie "Neig'schmeckte" sind...
Danke.

Übrigens, wenn du nicht willst, daß die Schachblume als Thumbnail angezeigt wird, bleibt dir soweit ich weiß nur, sie im Originalbeitrag zu löschen & in einem Antwort-Post unterzubringen.
Viele Grüße,
Benjamin
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Beitragvon Frank Divossen » 23. Apr 2009, 00:59

Hallo, Thorsten,

danke für diese informative Doku und natürlich die Bilder dazu.
Ich schlafe nur einmal im Jahr

Liebe Grüße

Frank
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Beitragvon Gabi Buschmann » 3. Mai 2009, 13:03

Hallo, Thorsten,

das ist ja interessant, hätte auch gedacht, dass es sich um
eine einheimische Pflanze handelt.
Die Doku hast du - wie eigentlich immer - mit sehr schönen
Bildern geschmückt.
Die Tulpen kommen ja in wirklichen Mengen an dem von dir
fotografierten Standort vor!
Danke!

Gabi
Liebe Grüße Gabi

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