MP-E 65

Balgengeräte, Zwischenringe, Nahlinsen etc.
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Knut
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MP-E 65

Beitragvon Knut » 22. Mai 2007, 23:29

Aufgrund der vielen An-/Nachfragen zum MP-E 65 hier einige Infos zu diesem Objektiv.

Das MP-E 65 ist das Lupenobjektiv von Canon. Es beginnt dort, wo die meisten normalen Makroobjektive ohne weitere Hilfsmittel wie Vorsätze oder Zwischenringe aufhören, nämlich bei Abbildungsmaßstäben größer/gleich 1:1.

Zunächst einige technische Daten:
- Brennweite 65mm
- Blende: 2,8 –16
- Effektive Blende: 5,6 - 96 (Blende * (Vergrößerung + 1))
- Springblende
- Gewicht: 710g (845g incl. Stativmanschette)
- Filtergewinde: 58 mm
- Länge bei 1:1 = 9,8 cm, bei 5:1 = 23 cm (also keine! Innenfokussierung)
- Bildfeld (Vollformat): 1:1 = 24*36 mm, 5:1 = 4,8 * 7,2 mm
- Bildfeld (APS-C): 1:1 = 15*24 mm, 5:1 = 3,0 * 4,8 mm (manche rechnen hier auch auf KB um)
- Kein! Autofokus
- Maximale! Fokusdistance: ca.10 cm bei 1:1 und ca. 4cm bei 5:1 (Vollformat)
- Straßenpreis zwischen 850 und 900 €

Bereits aus den technischen Daten lässt sich erkennen, dass das MP-E 65 kein normales Objektiv ist, sondern nur für einen speziellen Einsatzbereich genutzt werden kann: Extremmakros.

Einschränkungen
Die folgenden Einschränkungen kommen beim MP-E 65 auf euch zu:

-Zunächst die Limitierung bei der maximalen Objektgröße. Zur Verdeutlichung solltet ihr Euch mal ein Rechteck mit den genannten Maßen aufmalen (also 24*36mm für Vollformat-Kameras bzw. 15*24 für APS-C Kameras) und realisieren, dass mit diesem Objektiv keine Motive aufgenommen werden können, die größer sind. Blumen, Libellen, Schmetterlinge selbst Hornissen sind also nicht komplett abbildbar.

-Weiterhin liegt die maximale Fokusdistance bei nur 10 cm (1:1). D.h. ihr müsst Eurem Motiv mindestens so dicht auf den Pelz rücken, um überhaupt ein (scharfes) Foto machen zu können (und je nach Vergrößerung sogar noch dichter).

-Es gibt keinen Autofokus, genau genommen sogar nicht einmal einen richtigen manuellen Fokus, da am Objektivring nur die Vergrößerung eingestellt wird. Zwar lässt sich so auch fokussieren, in der Regel erfolgt dies aber eher durch Bewegung der Kamera oder des Motives.

-Ein weiterer Aspekt, der sich insbesondere in der Bildqualität niederspiegelt ist die Beugungsunschärfe. Ohne in die physikalischen Aspekte eindringen zu wollen ist hier nur festzustellen, dass die Nutzung kleiner Blenden mit zunehmendem Maßstab limitiert ist. Nach meiner Erfahrung sollte die Blende 16 nur bei 1:1 und 2:1 genutzt werden. Bei 5:1 führen bereits Blenden kleiner 9 (also 11, 13 und 16) zu einer sichtbaren Verschlechterung des Ergebnisses. An einer APS-C Kamera sind die Blendenwerte noch einmal zu reduzieren, da bei dem kleineren Sensor die Beugungsunschärfe noch deutlich eher ein Problem wird.

-In direkten Zusammenhang mit diesem Punkt steht auch der folgende: Die Schärfentiefe ist bei diesen Maßstäben äußerst gering und kann nur begrenzt durch Abblenden erhöht werden. Bei 1:1 und Blende 16 liegt der DOF bei gut 2mm und sinkt bei 5:1 und Blende 9 auf weit unter 0,25mm.

-Ohne einen entsprechenden Blitz (IMO am besten geeignet ist der MT-24ex) sind insbes die Maßstäbe 3:1-5:1 outdoor nur sehr eingeschränkt nutzbar. Es geht zwar theoretisch auch ohne, aber dann sind frühes Aufstehen, ein solides Stativ, ein Fernauslöser und ein direkter Draht zum Wettergott (kein! Wind) unabdingbar.

-Erwähnt werden sollte auch ist die Tatsache, dass es trotz Springblende im Sucher relativ schnell ziemlich dunkel wird. (Hier spielt der MT-24ex mit seinen Fokussierleuchten eine seiner Stärken aus).

-Letztlich noch die Tatsache, dass die komplette Ausrüstung (Kamera, Objektiv und Blitz) gut 2 KG auf die Waage bringen. Ich selber fotografiere zwar fast ausschließlich ohne Stativ, aber für alle die nicht sehr viel Sport machen empfiehlt sich doch zumindest ein Einbeinstativ.

-Ach so, der Preis für ein Objektiv, mit dem man nichts anderes machen als Extremmakros kann ist natürlich auch nicht ohne.


Ich habe bewusst ungeschönt alle Einschränkungen aufgeschrieben, die sich beim MP-E 65 ergeben, da viele glauben, der Erwerb dieses Objektives würde zwangsläufig auch zu tollen Makros führen (analog zur Ansicht, dass der Kauf des Kochgeschirrs eines 3 Sternekochs zu den gleichen kulinarischen Höhenflügen befähigen würde ;-) ).


Für alle, die bis jetzt nicht entmutigt sind:

Die Highlights

-Die Verarbeitungsqualität des Objektives ist wirklich hervorragend. Die schwere Metallfassung vermittelt einen äusserst soliden Eindruck. Die Mechanik ist leichgängig, aber sehr präzise.

-Die Bildqualität über das gesamte Bild hinweg sehr brilliant und scharf.

-Eine Stativmanschette gehört zum Standardlieferumfang (was bei Canon nicht unbedingt üblich ist).

-Zusammen mit dem entsprechenden Blitz und etwas Erfahrung macht das Teil unglaublichen Spaß! Es sind Aufnahmen möglich, die so komfortabel sonst nicht machbar sind.


Conclusio?
Eine rein quantitative Gegenüberstellung der Punkte könnte nun zu der Annahme verleiten, dass ich von diesem Objektiv abraten würde. Dies ist aber beileibe nicht! der Fall.
Jedem der bereits Erfahrung in der Makrofotografie gesammelt hat und sich intensiver/häufiger mit größeren Maßstäben befassen will, sollte dieses Objektiv auf jeden Fall sehr eng in seine Überlegungen mit einbeziehen. Es bedarf zwar einiger Übung, belohnt aber dafür mit wirklich beeindruckenden Ergebnissen. Zwar lassen sich diese Maßstäbe auch mit Balgen, Retroadaptern oder Zwischenringen erreichen, aber bei weitem nicht so unproblematisch und flexibel.
Wer bisher eher weniger Erfahrung in der Makrofotografie mit ihren Eigenheiten hat oder ohne Aufwand, Geduld und Übung schnell Erfolge sehen will, wird mit dem MP-E 65 vermutlich nicht unbedingt glücklich werden.


Viele Grüße
Knut
aktuelle Makroausrüstung: Canon 5D, MP-E 65 Lupenobjektiv, Tamron 90/2.8, MT-24ex Makroblitz, Zörk Macroscope, Kenko 1.4 Telekonverter

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Beitragvon Tommy Lehmann » 22. Mai 2007, 23:37

wow, da hast du dir ja richtig Mühe gegeben ... sehr informativ - danke
Replicant
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Beitragvon Replicant » 23. Mai 2007, 00:03

knut...danke...für die infos und ich denke, die es interessiert, denen wird es weiterhelfen....
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Beitragvon Frank Divossen » 23. Mai 2007, 03:25

Hallo Knut,

danke für das Pro und Kontra von diesem Objektiv. Jeder der sich solch ein Teil mal zulegen möchte, hat jetzt nähere Infos dazu.
Ich schlafe nur einmal im Jahr

Liebe Grüße

Frank
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Beitragvon Werner Buschmann » 23. Mai 2007, 22:26

@ Knut.

Danke für die wertvollen Infos. Sachgerecht und erhellend.
Eine Ergänzung.

@ Mitglieder.
1.Ihr dürft nicht denken, dass Knut normal ist. :lol:
Freihandfotografieren mit dem MPE ist unmöglich, es sei denn.
ihr hättet schon einmal den Platz 1-5 bei einem internationalen
ironman-Wettbewerb erreicht.
2. Mit dem LED-Hilfslicht des MP14 sieht Knut genug.
Aha, nicht nur ein ironman sondern auch ein eagleman.
:lol:

Knut hat die pros und cons exakt beschrieben.
Zusätzlich müsst ihr top-fit sein.
:lol:

Werner
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Werner
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Beitragvon waso » 24. Mai 2007, 02:48

Hallo Knut,

danke für die erklärenden Worte, ich weiss Deine Mühe zu schätzen!
Trotz der überwiegend 'negativen' Eigenschaften steht das Objektiv auf meiner Wunschliste. Da stehen zwar noch ein paar Sachen mehr, trotzdem ist es irgendwann 'dran'.

Danke und Gruss,

Wahrmut
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Beitragvon mgeiler » 24. Mai 2007, 05:02

Hallo Knut,

eine wunderbare Zusammenfassung hast du da geschrieben. Besonders diesen Tipp

Zunächst die Limitierung bei der maximalen Objektgröße. Zur Verdeutlichung solltet ihr Euch mal ein Rechteck mit den genannten Maßen aufmalen (also 24*36mm für Vollformat-Kameras bzw. 15*24 für APS-C Kameras) und realisieren, dass mit diesem Objektiv keine Motive aufgenommen werden können, die größer sind.


sollte man unbedingt beherzigen, der APS-C Sensor ist so klein, dass selbst eine Biene zum Problem wird. Bei mir hat das nach kurzer Zeit den Kauf einer 5D ausgelöst. Gut die 5D ist auch sonst Klasse, aber gekauft habe ich sie wegen des MP-E65

Mit dem LED-Hilfslicht des MP14 sieht Knut genug.


Mit dem MT-24ex, sehe ich auch genug, manchmal montiere ich ihn auch für Aufnahmen mit Stativ, einfach nur als Fokussierhilfe.

Gruss Mike
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Beitragvon rpabst » 26. Mai 2007, 10:31

Hallo Knut,

Deine tolle Zusammenstellung kommt leider 2 Wochen zu spät. Seit dieser Zeit habe auch ich zu meiner 5D ein MP-E 65
zusammen mit einem Ringblitz MR-14 EX. Nach anfänglichen Misserfolgen bin ich heute ein total begeisterter Anhänger
dieses Objektivs. Gleichzeitig habe ich mir ein stabiles Gitzo-Stativ mit Novoflex Kugelkopf und Einstellschlitten gekauft,
aber bisher mit dem MP-E 65 noch kein einzigesmal benutzt. Beim Versuch hat sich gezeigt, dass Insekten
selten so lange warten, bis man mühsam die richtige Höhe und Entfernung mit Stativ und Schlitten eingestellt hat.
Mit dem Gewicht habe ich kein Problem (bin allerdings 1,95 groß und 98 kg schwer). Von mir bekommt das Objektiv
die Wertung "Supergeil" :D und ich kann das MP-E 65 wirklich jedem empfehlen, der Spaß an sehr kleinen Dingen hat.
Im Gegensatz zu Dir finde ich die Schärfe bei f16 aber immer noch beachtlich und ich persönlich würde jedem Anfäger
mit dieser Linse empfehlen, die ersten Versuche in dem Blendenbereich 11 bis 16 zu unternehmen und sich auf keinen
Fall entmutigen lassen.

Viele Grüße

Rainer
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Beitragvon Knut » 27. Mai 2007, 17:11

Danke für Eure Kommentare,

@Werner
LOL :-)

@mike
Bei mir verlief es so:
1. Entscheidung von der Kompaktwelt in die DSLR-Welt zu wechseln, da IMO die Kompakten hinsichtlich druckfähiger Qualität A3+ und diesen Maßstäben nicht mehr mithalten können. (Nur fürs Web hätte auch weiterhin meine G3&Zörk Macroscope Kombination gereicht!)
2. MP-E 65
3. Durch die Objektivwahl waren dann die 5D und der MT-24ex IMO zwangsläufig.

@Rainer
Du mußt die Entscheidung treffen, ob Du eine etwas größere Tiefenschärfe willst oder aber innerhalb des (geringeren) DOF eine deutlich bessere Qualität. Ich persönlich würde mir hier immer für die bessere Qualität entscheiden (und dies auch jedem (Anfänger) empfehlen).
Zur Verdeutlichung habe ich mal einen 100%Crop einer 5x-Aufnahme mit f9 und f16 eines Seidentuches angehangen.

Gruß
Knut
Dateianhänge
Kamera: Canon 5D
Objektiv: MP-E 65 5x
Belichtungszeit: 1/100
Blende: 9 und 16
ISO: 100
Beleuchtung: Blitz
Bildausschnitt ca.: 100%-Crop
MPe65.jpg (133.64 KiB) 5466 mal betrachtet
MPe65.jpg
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Beitragvon rpabst » 27. Mai 2007, 17:55

Hallo Knut,

Dein Vergleich hat mir keine Ruhe gegeben. Ich komme beim selben Versuch zu einem deutlich anderen
Ergebnis. Beurteile selbst. Links f8, rechts f16. Das Bild mit f16 fiel flauer aus, ich habe leicht den Kontrast
erhöht und die Helligkeit angepasst. Beurteile bitte selbst.

Viele Grüße aus Düsseldorf

Rainer

PS. garantiert nicht getürkt
Dateianhänge
Kamera:
Objektiv:
Belichtungszeit:
Blende:
ISO:
Beleuchtung:
Bildausschnitt ca.:
Stoff.jpg (166.7 KiB) 5436 mal betrachtet
Stoff.jpg

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