Histogramm und ETTR

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Histogramm und ETTR

Beitragvon Guppy » 8. Jun 2016, 13:19

Hallo
Allgemein empfehle ich, 1-2 Blenden unter zu belichten.
Je mehr Erfahrung man hat, umso mehr kann man nach rechts belichten (ETTR, Exposing to the right).
Will man sich direkt in ETTR üben, dann landen 90% der Bilder durch Überbelichtung in der Tonne.
Das bedeutet, zuerst muss die Erfahrung mit Belichten da sein und erst dann kann man ETTR erfolgreich anwenden.
Nach rechts belichten, war schon in der analogen Fotografie angesagt, das ist eigentlich nichts neues.
Effektiv neu in der digitalen Fotografie ist die Möglichkeit, das Histogramm in der Kamera zu sehen und in der RAW Fotografie, etwas heller zu belichten, wie dieses Histogramm anzeigt.
All die Histogramme in den Kameras und den Bearbeitungsprogrammen zeigen in der X-Achse maximal 256 Lichtwerte an und die Y-Achse zeigt die Häufigkeit der einzelnen Lichtwerte.
Betrachtet man die X-Achse, sie zeigt die Helligkeit an, vom Wert 0, der links und dunkel ist, bis zum Wert 255 der hell und auf der rechten Seite ist.
Die maximale Helligkeit ist somit der Wert 255. Eine Blende dunkler, also halbe Helligkeit, befindet sich nicht beim Wert (256/2) 128, sondern etwa beim Wert 220.
Eine weitere Blende dunkler zeigt einen Wert von etwa 170. Die Unterschiede von Blende zu Blende sind also weder die Hälfte noch gleich gross.
Während im mittleren Helligkeitsbereich die Unterschiede von Blende zu Blende gross sind, sind sie im hellsten Bereich gestaucht und im dunklen Bereich noch etwas stärker gestaucht.
So lassen sich beim üblichen Histogramm die Helligkeitsunterschiede vor allem im mittleren Helligkeitsbereich an besten beurteilen.
Ob dies sinnvoll ist, bezweifle ich.
Betrachtet man die Y-Achse, sie zeigt die Häufigkeit der einzelnen Lichtwerte im Bild an, also je höher, umso öfter kommt dieser Lichtwert im Bild vor.
Da die Scala linear ist und Werte in der Höhe von mehreren Zehntausend Pixeln mit gleichem Helligkeitswert anzeigen kann, erkennt man Helligkeitswerte die nur selten vorhanden sind, z.B. überbelichtete Spitzlichter, nicht mehr!
Deshalb empfehle ich bei der Bildbeurteilung mit einem üblichen Histogramm eine Unterbelichtung von mindestens einer Blende, also maximale Helligkeitswerte von etwa 220.
Da man beim Stacken nicht alle Bilder und hellsten Bereiche in jedem Bild im Voraus sieht, kann die Empfehlung beim Stacken lauten: Keine Werte sollten höher wie 200 sein.
Je nach Bild geht man dadurch aber das Risiko ein, um 1-2 Blenden zu dunkel zu belichten und die dunklen Stellen saufen dadurch eher im Schwarz und rauschen ab.
Für Stacking ist auch deshalb das RAW Format mit Beurteilung der Bilder mit einem RAW Histogramm empfehlenswert.
Will man nun mit RAW optimal nach rechts (ETTR) belichten, benötigt man ein Histogramm bei dem die Werte der X-Achse gespreizt werden können und die Scala der Y-Achse logarithmisch ist.
Damit werden auch wenige Pixel im sehr hellen Bereich gut sichtbar angezeigt. (z.B. mit dem Programm RawDigger)
Es ist jedoch zu beachten, dass diese Programme am Computer laufen und ihr Histogramm nicht direkt in der Kamera betrachtet werden kann.
Für Stacking im Studio ist dies kein Problem.
Ein Problem kann aber sein, dass die Bedienung des Programmes nicht sehr einfach ist und man etwas geübt sein muss, um die Einstellungen richtig zu wählen und das Histogramm entsprechend gut beurteilen zu können.
Da sich beim Focus Stacking Lichtwerte in sehr hellen Bereichen vermutlich summieren können, vermindere ich die Helligkeit bei der Umwandlung von RAW zu 16 Bit TIF, um eine Blende,
oder in der Gradation werden die Lichter zurückgenommen, also die Lichtwerte im hellen Bereich etwas komprimiert
(dies ist eine Methode die schon in der analogen Audiotechnik Anwendung fand, um Übersteuerung und Rauschen im Ton zu vermindern (Audio Kompressor)).
Erst danach werden die Bilder gestackt.

Die ganze nachträgliche Bearbeitung der Bilder, findet vorzugsweise im 16 Bit TIF Format statt.
Die ETTR Belichtung ist somit aufwendig und man muss geübt sein, das Resultat sind aber wenig verrauschte, helle und freundliche Bilder,
die auch noch in sehr hellen Bereichen eine gut erkennbare Zeichnung aufweisen.

Kurt
Zuletzt geändert von Guppy am 8. Jun 2016, 13:21, insgesamt 1-mal geändert.
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Histogramm und ETTR

Beitragvon Corela » 8. Jun 2016, 13:59

Hallo Kurt,

das ist eine sehr schöne Zusammenfassung, danke.
Einen weiteren Aspekt kann ich aus der Freihand-Praxis hinzufügen. Um Belichgungszeiten kürzer zu bekommen, belichte ich öfter minus 1-2 Blenden.
Auf die Farbe kommt es ebenfalls an, eine weiße oder gelbe Blume muss 1-2 Blenden im plus belichtet werden.
Im Studio sind viele Dinge anders als in der freien Natur.
lG
Conny


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