Die Große Landkartenflechte - Flechte des Jahres 2014

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
Ajott
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Die Große Landkartenflechte - Flechte des Jahres 2014

Beitragvon Ajott » 13. Mai 2014, 20:41

Hallo zusammen,

die Große Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum) ist eine von 2000 Flechtenarten, die man in Mitteleuropa finden kann und Flechte des Jahres 2014. Eine gute Gelegenheit, um einen genaueren Blick auf die skurrilen Lebensform der Flechten im Allgemeinen, und auf die Landkartenflechte im Speziellen zu werfen.

Flechten sind symbiontische Gebilde aus Pilzen (Mykobiont) und Algen oder Cyanobakterien (Photobiont), wobei stets nur eine Pilzart, gelegentlich aber verschiedene Photobionten involviert sind. Daher wird eine Flechte im wissenschaftlichen Namen immer nach dem Pilzbionten benannt. Flechten zählen dementsprechend als Sonderformen im Reich der Pilze und werden nicht den Pflanzen zugeordnet. Über 20 Prozent aller bekannten Pilzarten leben in einer Flechtensymbiose. Sie kommen ohne ihre Photobionten in freier Natur nicht vor. Umgekehrt können die meisten Photobionten aber auch ohne ihren Pilzpartner leben.
Während der Pilz von den Nährstoffen profitiert, die ihm die photosynthetisch aktiven Partner bereitstellen, bietet er im Gegenzug Schutz vor Austrocknung und UV-Licht.

Bei der Große Landkartenflechte bildet ein Schlauchpilz mit einer Trebouxia-Alge eine dieser Symbiosen. Sie zählt zu den Krustenflechten, die bevorzugt auf Silikatgesteinen wächst und hier als Pionierart blanken Fels besiedeln kann. Sie kann ein Alter von mehreren 1000 Jahren erreichen, wobei der Durchmesser der einzelnen Flechte auf deren Alter schließen lässt. Dabei wächst sie nur sehr langsam, im Jahr kaum einen halben Millimeter, meistens deutlich weniger. Wie viele Flechten ist die Landkartenflechte in der Lage extreme Umweltbedingungen zu überdauern und entsprechend extreme Lebensräume zu besiedeln. 2005 wurde eine Probe der Art für 2 Wochen im Weltall den Bedingungen außerhalb der Erdatmosphäre ausgesetzt, die die Flechte unbeschadet überstand.
Weitere Infos findet ihr an den Bildern.

Viel Spaß beim Anschauen und liebe Grüße
Aj

PS: Die Bilder sind 2011 noch mit meiner kleinen Kompaktknipse in den Stubaier Alpen entstanden. Sehr gerne könnt ihr eigenes Bildmaterial ergänzen
Dateianhänge
Auf saurem, kalkfreiem Silikatgestein - wie hier auf Gneis - gedeihen Landkartenflechten vor allem in höheren Lagen am besten. Sie mögen dabei kühle, feuchte Lebensräume und meiden zu warme, trockenen oder kalkreiche Untergründe. Sie gilt daher als Feuchte- und Säurezeiger.
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Den Namen erhielt sie, weil ihre Wuchsform an eine topographische Landkarte erinnert. Die Flechte lebt gesellig und ist selten einzeln anzutreffen, wodurch man sie kaum übersehen kann.
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Wie ein Kontinent im Meer scheint das sogegannte "Lager" (= Thallus, hier gelb gefärbt) zu schwimmen. Als Lager bezeichnet man das Geflecht aus Pilzfäden, in dem die Photosymbionten eingelagert sind.
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Die schwarzen Bereiche dazwischen und am Rand (das sogenannte Vorlager/Prothallus) zeigen den reinen Pilzkörper, der Ausbreitung und Wachstum auf eigene Faust übernimmt und den Photosymionten erst nachträglich in die dazugewonnenen Bereiche einlagert.
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Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.
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Beitragvon Sven A. » 14. Mai 2014, 00:20

Moin Anja,
ich weiß nicht was du hast?
Trotz alter Kompakknipse sind das doch gute Bilder geworden.
Auf jeden Fall bekommt man einen guten Eindruck von der Flechte,
so dass man sie bestimmt wiedererkennt.
Das langsame Wachstum ist einerseit erstaunlich, andererseits auch wieder nicht,
wenn man bedenkt von was sie leben.
Erstaunliche Lebenwesen sind das und du hast sie uns eindrücklich näher gebracht.

Danke dafür :-)

Viele Grüße
Sven
ᘿS ᒪᘿᗷᘿ ᕲᓰᘿ ᐺᓰᘿᒪᖴᗩᒪᖶ ᑘᘉᕲ ᕲᘿᖇ ᗩᒪᑘᕼᑘᖶ!
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Beitragvon ULiULi » 14. Mai 2014, 08:39

Hallo Anja,

klasse Beitrag über diese interessanten Lebensformen.
Dass Pilze nicht den Pflanzen zugerechnet werden, wusste ich
ja schon - bei Flechten war mir das neu. Wieder was gelernt :)

Deine Fotos finde ich sehr gut gelungen und anschaulich. Prima
zur Identifizierung geeignet, denke ich. Darauf kommt es hier an.
Hoffentlich kann noch jemand ein Bild in einem ABM >1:1 beisteuern.
Unter der Lupe tun sich bei Flechten nochmal ganz andere Welten auf.

LG / ULi
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Beitragvon Harmonie » 14. Mai 2014, 09:00

Hallo Anja,

man geht so schnell an den Flechten auf Felsen vorbei.
Wenn man sich jedcoh mal die Zeit nimmt und sie genauer betrachtet, dann kann man solche Bilder, wie
du sie hier zeigst, sehen.
Das letzte Bild ist eins, welches mich von den Formen (auch des Steines) und Farben am meisten
begeistert. Auch die anderen sind schön. Aber das ist eben mein Favorit.
Herzlichen Dank für's Zeigen und deine Info's zu den Bildern!

LG
Christine
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An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an all die User, die meinen Bildern
Beachtung, Aufmerksamkeit und Kommentare schenken.
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--- Alle hier von mir gezeigten Bilder dürfen ungefragt für die Artengalerie verwendet werden. ---
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Beitragvon Reinold » 14. Mai 2014, 09:10

Hallo Anja,
als ich noch fleissig in den Bergen und im Fels
die Freizeit mit meiner Frau oder Freunden verbringen konnte,
habe ich mich immer wieder an der Vielfalt der Flechten und
deren Farben und Formen erfreuen können. Deine Bilder
wecken in mir schöne Erinnerungen. Schön dass du uns
auf diese Flechten aufmerksam gemacht hast. Danke!
Liebe Grüsse reinold

_________________________________________
www.fernweh-heilen.ch/fotogalerie/die-neusten-bilder/
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Beitragvon derflo » 14. Mai 2014, 09:10

Hi Anja,

Super interessante Doku. Schon Wahnsinn was die Evolution so hervorbringt.
Da habe ich wieder was gelernt und dafür kann man nicht genug danken.

LG
Flo
Orchideen in Deutschland:http://www.maldiesmaldas.de
Ich auf flickr: http://www.flickr.com/photos/maldiesmaldas
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Beitragvon coccinelle » 15. Mai 2014, 16:48

Hallo Anja,

schön, dass Du uns in Deiner Doku die Welt der Flechten -
der ja im Allgemeinen eher weniger Beachtung geschenkt wird -
etwas näher bringst.
Wie man es von Dir gewohnt ist, ist der Text, trotz der vielen Fakten,
angenehm zu lesen.
Formulierungen wie "Die Flechte lebt gesellig" bleiben einfach im Kopf. ;)
Wie ULi war auch mir neu, dass sich Flechten nicht Pflanzen nennen dürfen,
ihre interessanten Formen und Farben konntest Du auch mit Deiner Kompakten
ansprechend festhalten.
Dank der Fotografie habe ich das Gefühl, mit offeneren Augen durch die Welt zu gehen.

Viele Grüße
Britta
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Beitragvon fossilhunter » 15. Mai 2014, 17:44

Hi Anja !

Deine Bilder illustrieren deinen interessanten Text aufs Beste ! Sehr informativ und man sollte sich auch fotografisch immer wieder mal solchen Lebensformen widmen (und zwar durchaus während der Makrosaison).

lg

Karl
lg Karl

Ich erteile dem Makro-Forum die Generalerlaubnis, meine im Forum geposteten Bilder - mit Info an mich und Vetorecht meinerseits - zu duplizieren und in der AG einzubauen.

Mehr Infos zu Naturschutz und Makrofotografie in der Steiermark siehe : naturschutz.kaphi.at
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Beitragvon Gabriele » 15. Mai 2014, 17:55

Hallo Anja,

das ist nicht nur vom Text her sehr interessant. Auch die Bilder können
sich durchaus sehen lassen. Vielleicht sind einfache Knipsen für Flechten
die bessere Wahl? Mir kommt es so vor.

Wirklich tolle Doku. Danke dafür :)

LG Gabriele
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Beitragvon Corela » 16. Mai 2014, 11:19

Hallo Anja,

Flechten habe ich so überhaupt nicht in meinem Fokus.
Dein Text und deine Bilder waren für mich sehr interessant,
danke für die tolle Doku.
lG
Conny


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