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Krabbenspinnen sind Luftakrobaten

Verfasst: 8. Okt 2009, 19:50
von Felix Speiser
Wieder einmal war ich im Feld, wo ich die Wespenspinnen und die Krabbenspinne der Art Xysticus fand (vergl. http://www.makro-forum.de/fpost336613.html#336613 ). Viel war nicht mehr los, die Natur bereitet sich nun auf den Winter vor. Es war aber sonnig und sehr windig, und plötzlich sah ich auf einem schneeweissen Samenbüschel eines Distelkrautes eine Xysticus. Das sah gut aus. Trotzdem war ich unschlüssig ob ich Kamera und Stativ auspacken sollte, denn der Wind war zwar sehr angenehm aber doch nicht ganz des Fotografen Freund. Aber was war denn das, plötzlich gab es ganz in der nähe zwei weitere Exemplare, da schien ja mächtig was los zu sein, da kann man nicht widerstehen, da installiert man sich prompt.

Ich habe ruhig und sorgfältig alles aufgebaut und einen weissen Busch ins Visir genommen. Aber da war gar keine Spinne mehr zu sehen. Plötzlich aber war wieder eine da, und gleich darauf noch eine, eh eine dritte auf einem weissen Büschel daneben ...

Also habe ich mal einige Bilder gemacht, in der Hoffnung, dass trotz Wind irgend eine Aufnahme eine passable Schärfe zeigen wird (Bild 1). Na so was, da ist noch eine beinahe weisse Variante dazugekommen. Also nahm ich auch diese ins Visir (Bild 2).

Die nun folgenden Aufnahmen entstanden alle innerhalb einer Sekunde. Die Spinne drehte sich zum Wind und hob den Hinterleib (Bild 3) und ganz plötzlich schoss ein langer Fadenstrahl aus der hinteren Spinndrüse (Bild4) und gleich darauf ein zweiter aus der mittleren Drüse (Bild 5). Die vordere Spinndrüse schien „irgendwie“ verstopft zu sein (Bilder 2-5). Die beiden langen, feinen und kaum sichtbaren Fäden wurden im Winde bewegt, und unvermittelt seilte sich die Spinne ab und flog gleich darauf etwa 1m über meinem Kopf davon und landete viele Meter weiter auf einem anderen Gebüsch. Das war ein wirklich spannendes Erlebnis. Ich habe das an diesem Nachmittag dann bei einigen weiteren Spinnen nochmals beobachten können. Da wurde mir auch klar, dass auf diesem Feld wohl viele der feinen Spinnfäden zwischen den Büschen, bei denen ich nie ein Spinne entdecken konnte, wohl durch diese Luftakrobaten entstanden sein müssen.

So können eben etwa 5mm grosse Spinnen mehrere Meter über dem Boden viele Distanzmeter „durchfliegen“.

Um welche Art es sich hier genau handelt weiss ich nicht. Die dunkle Spinne könnte Xysticus lanio sein. Oder handelt es sich hier evt. um eine Ozyptila? Vielleicht weiss jemand von Euch, was das beinahe weisse Exemplar wirklich für eine Spinne ist. Sie hat sich ungeniert unter die dunkeln Gesellen gemischt, wollte aber ansonsten nichts von ihnen wissen.

Literatur:

Heiko Bellmann: Kosmos Atlas Spinnentiere Europas, S. 196 - 199.
ISBN-13 = 978-3-440-10746-1 (1997)
Michael J. Roberts: Guide des araignées de France et d‘Europe, S. 157-, S. 163- Delachaux et Niestlé SA, Paris (2009)
ISBN = 978-2-603-01566-7

Verfasst: 8. Okt 2009, 22:16
von ULiULi
Hallo Felix,
Deine Dokumentation finde ich ganz hervorragend.
Über den meist überbelichteten Ansitz gucke ich gerne
hinweg. Denn das worauf es ankommt, ist richt gut
dokumentiert.
Beobachtet habe ich die Reisetechnik der Krabben-
spinnen auch schon, aber nur über kurze Entfernungen
und ohne den Blick durch die Kamera, so dass der
Spinnfaden kaum zu sehen war. Umso schöner, hier
in Ruhe die Details ansehen zu können.
Gruß / ULi

Verfasst: 8. Okt 2009, 22:39
von Felix Speiser
Danke Uli,

Ja die Ansätze waren mehr als problematisch, seidenglänzig, spiegelnd und das bei Sonnenschein, aber hier auf den Bildern leider eine Katastrophe.

Verfasst: 9. Okt 2009, 00:08
von Jürgen Fischer
Hi Felix,

klasse beobachtet und bis auf ein paar kleine Schwachstellen (Überstrahlung, Schärfe) in der Sache
P E R F E K T dokumentiert!

Kurze Distanzen werden von sehr vielen Spinnenarten auf die von dir prima beschriebenen Art und Weise überbrückt!
Kleine Spinnen und Jungtiere vieler Arten breiten sich so sogar über viele Kilometer aus, sie wurden sogar auf 8000 m Höhe auf Gletscherfeldern gefunden. Diese Art der "fliegenden" Fortbewegung nennt man Ballooning, bei uns auch als Altweibersommer beschrieben!


http://www.makro-forum.de/ftopic6647.html


Die dunkle ist keine lanio, die sind fast immer rötlich! Ob Xysticus oder Ozyptila kann ich so nicht beurteilen. Mir fehlt auch der Größenvergleich!


Klasse Arbeit Felix, super recherchiert und dokumentiert! Ein Beitrag mit Tiefgang und Informationsgehalt!

Danke dafür!


LG Jürgen

Verfasst: 12. Okt 2009, 07:33
von Benjamin
Hallo Felix,

ich kann mich da Jürgen & Uli nur anschließen - eine super Dokumentation.
Die Spinnen sind toll geworden, herrlich anzuschauen wie sie ihre "Luftbrücke" spinnt.

Verfasst: 12. Okt 2009, 17:25
von Felix Speiser
Herzlichen Dank für Eure Anmerkungen. Nun aber noch eine Frage:

Wie würdet Ihr in Zukunft bei solchen Aufnahmesituationen vorgehen, um das Ueberstrahlungsproblem zu lösen? Soll ich eine kurze Belichtungsreihe machen und dann die Bilder mit einer HD Software zusammenbasteln?

Verfasst: 12. Okt 2009, 17:35
von Benjamin
Wenn ich das Stativ verwende, nehme ich meist automatische Belichtungsreihen auf (AEB).
Weiß jetzt nicht, ob die Sony das auch kann.
Dann evtl. in der RAW Datei die Tiefen wieder hochziehen.

Verfasst: 16. Okt 2009, 11:04
von Felix Speiser
@ Benjamin: ja, die Sony kann das ;-) Der Kontrastumfang war aber wirklich extrem und wäre wohl kaum mit einer einzigen Belichtung sauber hinzukriegen gewesen. Zudem war es sehr windig, so dass das Resultat mit Belichtungsreiche (Schärfe!) auch fraglich ist. Wenn ich die vielen phantastischen Bilder in diesem Forum betrachte, frage ich mich eben oft, wie diese zustande kommen. Sind das "einfach" die "legitimen Fotoglückstreffer" ?

Mitbesten Grüssen,
Felix

Verfasst: 6. Dez 2009, 22:21
von Gabi Buschmann
Hallo, Felix,

klasse dokumentiert, vielen Dank dafür!

Gabi

Verfasst: 6. Dez 2009, 22:34
von Angela Di M
Klasse Doku, gratuliere !!!

LG

Angela