Methusalem

Interessante Beobachtungen aus dem Leben unserer Makromotive oder unserer Naturmotive mit dokumentarischem Charakter
Ajott
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Methusalem

Beitragvon Ajott » 6. Dez 2015, 18:25

Hallo zusammen,

bevor ich euch bei der Suche nach Leben in der Wüste mit an die Küste und weiter nach Süden nehme,
möchte ich nochmal einen kurzen Zwischenstop im innländischen Bereich der Namib machen, um euch eine
der ältesten Lebensformen der Welt zu zeigen.

Viele kennen sie vielleicht aus der Schule oder aus Dokumentationen, dabei kommt die Welwitschie
ausschließlich in der Namibwüste vor und ist damit auf Namibia und Angola beschränkt. Die ältesten
lebenden Exemplare dieser Art könnten bis 2000 Jahre alt sein. Obwohl die oftmals sehr zerfaserten
Blätter einen anderen Eindruck erwecken könnten, sind es nur zwei gewaltige Blätter (eigentlich
sogar Nadeln, die Pflanze gehört zur Gruppe der Nadelhözer!), die sich aus gegenüberliegenden Seiten
aus dem Stamm schieben. Bis zu 4 Meter können sie letztlich lang werden und sind die Blätter mit der
längsten Lebensspanne im Pflanzenreich. Der Stamm liegt größtenteils unterirdisch und erreicht über
den Boden meistens eine Höhe von kaum mehr als 50 Zentimeter (gelegentlich kann er aber auch fast
mannshoch werden).

Wie die Pflanze Wasser aufnimmt lässt bis heute noch viel Raum für Spekulationen. Oft liest man,
dass sie dabei vor allem auf Nebel und Tau angewiesen ist, welcher an den Blättern im Morgen
kondensiert und entweder direkt über diese aufgenommen wird oder aber an deren Oberfläche zur
Blattbasis und bis zu den Wurzeln transportiert wird. Tatsächlich ist diese Theorie fraglich. Zwar
konnte mittels Radioisotopenversuchen nachgewiesen werden, dass die Blätter tatsächlich in der Lage
sind, Wasser direkt aufzunehmen, allerdings nur in sehr geringen Mengen und zudem in einem recht
langwierigen Prozess. Zudem findet man die höchsten Vorkommen der Pflanze im Bereich etwa 50km von
der Küste entfernt. Damit spart sie die nebelreichen Küstengebiete der Namib aus. Statt dessen ist
sie wohl abhängig von Bodenwasser, weswegen sie oft entlang von unterirdischen Wasserläufen zu
finden ist. Ob die Pfahlwurzel, welche bis 3m tief hinab reichen kann dieses tatsächlich erreicht
konnte bisher aber noch nicht eindeutig geklärt werden. Zudem verfügt die Welwitschie über ein
ausgedehntes Netz bodennaher Wurzeln, welche niedegehende Feuchtigkeit in einem weiten Radius von
bis zu 15m aufnehmen können. Eine besonders starke Kutikula der Blätter schützt sie davor, das
Wasser ungewollt wieder zu verlieren.

Die Welwitschie ist zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen.
Männliche Pflanzen blühen nach 2,5 Jahren zum ersten Mal, weibliche Pflanzen erst nach über 5
Jahren. Für die Bestäubung stehen Insekten, v.a. Wanzen und Wespen, unter Verdacht. Die bis zu 3
Zentimeter großen Samen werden aus den Zapfen entlassen und fliegen Dank eines papierartigen Flügels
mit dem Wind davon. Erst nach einem starken Regenschauer, der mitunter Monate und Jahre auf sich
warten lassen kann, keimen die Samen auf und haben die Chance ihr Wurzelsystem schnell zu entfalten
und sich zu etablieren. Viele Keimlinge schaffen es jedoch nicht, sondern fallen häufig einem Pilz
(Aspergilus niger) zum Opfer.

Wegen ihrer Bekanntheit steht die Pflanze unter Schutz, ist aber derzeit nicht besonders gefährdet.
Besonders die Bestände in Angola sind reich, wo sie durch die Zahl an Landminen, die illegale
Sammler fern hält, kaum behelligt werden.

liebe Grüße
Aj
Dateianhänge
Kamera: Canon EOS 600D
Objektiv: 90mm
Belichtungszeit: 1/500
Blende: f/14.0
ISO: 400
Beleuchtung: Wüstenmittagssonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG):
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): B: 12%, H: 13%
Stativ: keins
---------
Aufnahmedatum: 15.10.2015
Region/Ort: Namibia/Afrika
vorgefundener Lebensraum: Namib, Kaokoveld
Artenname: Welwitschia mirabilis
NB
sonstiges: Welwitschien in ihrem Lebensraum, den Kies- und Schotterflächen in der nördlichen Namib.
welwitschia01makro.jpg (475.17 KiB) 1784 mal betrachtet
welwitschia01makro.jpg
Kamera: Canon EOS 600D
Objektiv: 90mm
Belichtungszeit: 1/500
Blende: f/14.0
ISO: 400
Beleuchtung: Wüstenmittagssonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG):
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): B: 6.1%, H: 13%
Stativ: keins
---------
Aufnahmedatum: 15.10.2015
Region/Ort: Namibia/Afrika
vorgefundener Lebensraum: Namib, Kaokoveld
Artenname: Welwitschia mirabilis
NB
sonstiges: Normalerweise befinden sich die Pflanzen in einem Abstand von mindesten 20-100m zueinander. Diese hier hatten es wohl gern etwas kuschliger. Die Blätter der vorderen Pflanze sind ungewöhnlich intakt.
welwitschia02makro.jpg (478.35 KiB) 1786 mal betrachtet
welwitschia02makro.jpg
Kamera: Canon EOS 600D
Objektiv: 90mm
Belichtungszeit: 1/1000
Blende: f/2.8
ISO: 100
Beleuchtung: Wüstenmittagssonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG):
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): B: 6.3%, H: 6.8%
Stativ: (noch) keins
---------
Aufnahmedatum: 15.10.2015
Region/Ort: Namibia/Afrika
vorgefundener Lebensraum: Namib, Kaokoveld
Artenname: Welwitschia mirabilis
NB
sonstiges: Ein junger Zapfenstand einer weiblichen Pflanze.
welwitschia03makro.jpg (455.28 KiB) 1784 mal betrachtet
welwitschia03makro.jpg
Kamera: Canon EOS 600D
Objektiv: 90mm
Belichtungszeit: 1/2000
Blende: f/2.8
ISO: 100
Beleuchtung: Wüstenmittagssonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG):
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): 0%
Stativ: (noch) keins
---------
Aufnahmedatum: 15.10.2015
Region/Ort: Namibia/Afrika
vorgefundener Lebensraum: Namib, Kaokoveld
Artenname: Welwitschia mirabilis
NB
sonstiges: Noch einmal Welwitschie in ihrem Lebensraum. Hier ein Männchen.
welwitschia04makro.jpg (447.18 KiB) 1790 mal betrachtet
welwitschia04makro.jpg
Kamera: Canon EOS 600D
Objektiv: EF-S18-55mm f/3.5-5.6 IS II @ 18mm
Belichtungszeit: 1/2500
Blende: f/3.5
ISO: 100
Beleuchtung: Wüstenmittagssonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG):
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): 0%
Stativ: (noch) keins
---------
Aufnahmedatum: 15.10.2015
Region/Ort: Namibia/Afrika
vorgefundener Lebensraum: Namib, Kaokoveld
Artenname: Welwitschia mirabilis
NB
sonstiges: Aufsicht auf eine stark beschädigte Pflanze. Solche Störungen, die durch Wind oder Tiere auftreten können, können diese Pflanzen mit ihren dauerhaft wachsenden Blättern ausgleichen. Allerdings dauert das eine ganze Weile.
welwitschia05makro.jpg (486.66 KiB) 1785 mal betrachtet
welwitschia05makro.jpg
Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.
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Beitragvon Ajott » 6. Dez 2015, 18:29

Und ein letztes Bild. Ich nehme mir übrigens für jeden Afrikatrip eine Pflanzenart vor, die ich
gerne sehen möchte, und mit der ich mich dann im Vorfeld näher beschäftige. Im letzten Jahr wars der
Baobab, dieses Jahr ist es die Welwitschia und der Kokerboom (der folgt später mal:-)).
Faszinierende Überlebenskünstler.

Liebe Grüße
Aj
Dateianhänge
Kamera: Canon EOS 600D
Objektiv: EF-S18-55mm f/3.5-5.6 IS II @ 24mm
Belichtungszeit: 1/1250
Blende: f/4.0
ISO: 100
Beleuchtung: Wüstenmittagssonne
Aufnahmedateiformat (RAW/JPG):
Beschnittsbetrag in % (Breite u. Hoehe): B: 20%, H: 21%
Stativ: keins
---------
Aufnahmedatum: 15.10.2015
Region/Ort: Namibia/ Afrika
vorgefundener Lebensraum: Namib, Kaokoveld
Artenname: Welwitschia mirabilis
kNB
sonstiges: Junge Pflanze mit frischen und alten Zapfen. Wer genau hinschaut sieht auch Spuren größerer Tiere im rechten Teil des Bildes... ein Hinweis darauf, dass ich irgendwann auch noch tierische Bewohner der Wüste zeigen kann? Wer weiß... ;-)
welwitschia06makro.jpg (489.29 KiB) 1512 mal betrachtet
welwitschia06makro.jpg
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Beitragvon Harmonie » 7. Dez 2015, 10:52

Hallo Anja,

immer wieder erstaunlich, wie lange Pflanzen und teilweise auch Tiere, ohne Wasser auskommen können und
trotzdem irgendwann wieder zu neuem Leben erblühen.
Danke für deinen interessanten Bericht und die schönen Bilder dazu.

LG
Christine
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------
An dieser Stelle einen ganz herzlichen Dank an all die User, die meinen Bildern
Beachtung, Aufmerksamkeit und Kommentare schenken.
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--- Alle hier von mir gezeigten Bilder dürfen ungefragt für die Artengalerie verwendet werden. ---
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Beitragvon Fietsche » 7. Dez 2015, 14:42

Moin Anja,

beim betrachten des ersten fotos dachte ich, jetzt ist sie tatsächlich

auf dem Mars gelandet. :laugh3:

Aber die weiteren Fotos erklären es dann schon das es nicht so ist.

Deinen Bericht zu dieser komischen Pflanze ist sehr aufklärend aber

wirft auch Fragen auf, wie vorher bekommt sie nun das nötige nass

was sie braucht. Sind es die Wurzeln oder ist es doch mit den Blätter

und das sind ja nur ein paar, eine sehr interessante Sache.
LG. Fietsche :shock:

http://www.fietsche.fi
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Beitragvon laus1648 » 7. Dez 2015, 14:51

Hallo Anja
wirklich erstaunlich und interessant. Wenn man die Bilder so sieht, dann denkt man an völlig verdorrte Pflanzen und
würde ihnen keine Beachtung schenken, dank deine Infos wird eine spannende Geschichte daraus

Danke
Dieter
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Beitragvon Gabi Buschmann » 11. Dez 2015, 16:24

Hallo, Anja,

das ist ja eine interessante Pflanze. Allein schon das evtl.
erreichbare Alter ist erstaunlich und faszinierend, aber auch, dass
die Wurzeln bis zu 3 m tief reichen und darüber hinaus sich aber auch
in der Fläche ausbreiten. Bei den kargen Lebensbedingungen fragt man
sich, woher die Pflanze die Energie für all das nimmt.
Wieder eine ganz tolle Doku in Text und Bild - vielen Dank dafür!
Liebe Grüße Gabi
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Hans.h
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Beitragvon Hans.h » 11. Dez 2015, 20:29

Hallo Anja,

Das ist ja sehr interessant.Immer wieder beeindruckend,wie zäh das Leben doch ist,wenn es erstmal
Raum gegriffen hat.Würde mich gar nicht wundern,wenn es auf dem Mars doch noch gefunden würde.
Da stellt sich unwillkürlich wieder die Frage,wie das Leben entstanden ist.

Gruß Hans. :)
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Peter Schmitz
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Beitragvon Peter Schmitz » 11. Dez 2015, 23:18

Hallo Anja,

Danke für die umfangreichen Informationen, zu der mir unbekannten Pflanze.
Eine surreale Landschaft, gut festgehalten.
Schöne Grüße aus Hildesheim

Peter



Freunde sind wie Sterne. Man sieht sie nicht immer, aber sie sind immer da.
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Corela
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Beitragvon Corela » 14. Dez 2015, 13:42

Hallo Anja,

diese Pflanze ist wirklich faszinierend.
Danke, dass du uns mitgenommen hast und für diese Doku in Wort und Bild.
lG
Conny


- hinfallen - aufstehen - Krönchen richten - weitergehen -

„Die Abende im Garten sind so schön, daß ich mich nicht entschließen konnte, mich an den Schreibtisch zu setzen“ – Max Liebermann, 1911.
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Beitragvon Sven A. » 15. Dez 2015, 14:36

Moin Anja,
eine interessante Pflanze und sehr gute Doku :-)
Erstaunlich was die Natur alles "erfindet" und wie schwer es doch ist,
dass Wissenschaftler ihr Geheimnis lüften.

Vermutlich benötigt man Laborbedingungen, um den Wasserhaushalt zu entschlüsseln.
Eine spannende Sache.
Danke für die ausführliche Information und Vorstellung der mir bisher unbekannten Pflanze.

Viele Grüße
Sven

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