Erschütterungen

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Guppy
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Erschütterungen

Beitragvon Guppy » 27. Aug 2011, 20:18

Hallo
Auf der Suche nach Schärfe und hoher Auflösung stösst man auf das Problem der Erschütterungen während des Belichtens.
Bewegt sich das Objekt zur Kamera, die mit einem 1/125 Sek auslöst bei einem Abbildungsmasstab von 1:10, um eine Pixel Breite, dann sinkt die Auflösung um 50%.
Der Chip einer Nikon D7000 hat eine Breite von 23.6mm mit 4928 Pixel.
Die Breite eines Pixels ist somit 23.6 mm / 4'928 = 0.00479mm also etwa 4,8 Mikrometer. Bei einem Abbildungsmassstab von 1:10 bildet ein Pixel eine Fläche ab die in Realität eine Breite von 48 Mikrometer hat.
Verschiebt sich nun die Kamera zum Objekt während 1/125 Sek um 48 Mikrometer, dann sinkt die Auflösung auf die Hälfte.
Dies entspricht einer Geschwindigkeit von 21,6 Meter/Stunde.
Die Geschwindigkeit einer Schnecke ist etwa 7 Meter/Stunde.
Bewegt sich ein Gegenstand zur Kamera (oder umgekehrt) mit dreifacher Schneckengeschwindigkeit, so sinkt die Auflösung auf 50%.
Um solche Verwackelung zu verhindern, wird die Kamera auf einem Stativ befestigt, das Objekt fixiert (oder bei Windstille fotografiert) und ev. ein Bohnensack auf die Kamera oder Optik gelegt, ein Fernauslöser wird verwendet.
Weitere Erschütterungen von viel höherer Geschwindigkeit erzeugt die Kamera selber.
Das Spiegelhochklappen erschüttert die Kamera, kann aber eine Sekunde vor der Belichtung erfolgen. Diese Erschütterung (Nikon D7000) dauert etwa 0,25 Sekunden.
Die nächste Erschütterung (Verschluss öffnen) ist etwa halb so stark wie das Spiegelhochklappen, dauert aber nur 0.12 Sekunden (halb so lang wie die Spiegelerschütterung) bis zur völligen Ruhe. 0.12 Sekunde entspricht 1/8 Sekunde. Die stärkste Erschütterung dauert 0.03 Sekunden (1/33 Sek.) danach sinkt sie kontinuierlich ab und nach 0.12 Sekunde ist Ruhe.
Daraus zeigt sich, dass es Sinnvoll ist den Blitz am Ende der Belichtungszeit auszulösen.
Wird nicht geblitzt, dann ist bei einer Belichtungszeit von 1/33 Sek. die ganze Belichtungszeit die hauptsächliche (stärkste) Erschütterung des Verschlusses vorhanden. Belichtet man mit 1/8 Sekunde dann wäre die Haupterschütterung nur 1/4tel der Belichtungszeit und somit müsste die Auflösung besser sein!?
Jedoch ist es nicht eine Bewegung in einer Richtung, sondern um einen Punkt herum, um wie viel Pixelbreite sich der maximale Ausschlag bewegt, konnte ich bis jetzt nicht fest stellen.
Um zu sehen, wie sich diese Erschütterung auf die Auflösung auswirkt habe ich die Auflösung bei unterschiedlicher Belichtungsdauer gemessen.
Sowohl die Kamera, wie auch das Objekt sind fix montiert.
Um für mich massgebende Resultate zu erhalten habe ich ein Abbildungsmassstab von 2:1 gewählt, hier sollte sich eine Verwackelung eher zeigen wie gross sie ist, wie bei einem Abbildungsmassstab von 1:10.
Die Messresultate:
Bei einer Belichtungszeit von 5 Sekunden bis 1/8 Sek. beträgt die maximale Auflösung 160 Zeilenpaare pro mm.
Bei 1/15 Sek. 125 Zeilenpaare
Bei 1/30 Sek. sind es nur noch 110 Zeilenpaare!
Bei 1/60 und 1/125 Sek. sind es 125 Zeilenpaare.
Bei 1/250 bis 1/500 Sek. sind es 160 Zeilenpaare.
Bei 1/1'000 bis 1/2'000 Sek. sind es 180 Zeilenpaare.
Bei 1/4'000 bis 1/8'000 Sek. sind es 160 Zeilenpaare.
Mit Blitz sind es durchweg 180 Zeilenpaare.
Bei der kurzen Belichtungszeit mit Blitz ist die Erschütterung an wenigsten spürbar.
Hier wird die maximale Auflösung von 180 Zeilenpaare erreicht
Ohne Blitz ist die gute Auflösung von 160 Zeilenpaare bei 1/8 Sekunde und länger zu erreichen und ebenfalls auch bei einer Belichtungszeit von 1/250 bis 1/500 Sekunde.
Bei einer Belichtungszeit von 1/1'000 bis 1/2'000 wird die maximale Auflösung von 180 Zeilenpaare erreicht.
Bei 1/4'000 bis 1/8'000 Sekunde sinkt die Auflösung wieder auf 160 Zeilenpaare. Bei diesen extrem kurzen Zeiten ist der Schlitz des Verschlusses extrem schmal. Bei 1/4'000 Sek. ist der Schlitz etwa 1mm hoch und bei 1/8'000 nur noch 0.5mm, dadurch entsteht vermutlich Beugungsunschärfe an den Schlitzkanten.
Am meisten wackelt die Kamera bei 1/30 Sekunde, da ist die Auflösung am geringsten.
Die höchste gemessene Auflösung beträgt 180 Zeilenpaare, die niedrigste ist bei 110 Zeilenpaare, das sind nur noch 61%!

Meine Messungen basieren auf Vergleichsmesswerten und haben somit keine Relevanz für Vergleiche mit anderen Messungen ausserhalb meiner Messanordnung und Beurteilung. So gelten die Werte auch nur für mein Exemplar einer Nikon D7000!

Beim Bild_111.jpg sieht man den ganzen Ablauf.
Die obere Kurve zeigt den negativen Ausschlag des Blitzes (rechts am Ende des markierten Bereiches).
Die untere Kurve zeigt die Erschütterung der Kamera.
Von etwa 1.60 bis 1.95 die Erschütterung des Spiegel hoch klappen, eine Sekunde vor Auslösung.
Der dunkel markierte Bereich zeigt die Belichtungszeit von 1/8 Sekunde.
Links die Erschütterung durch das öffnen des Verschlusses, diese Erschütterung dauert etwa 2/3 der Belichtungszeit.
Rechts neben dem dunklen Bereich folgt die Erschütterung durch das Schliessen des Verschlusses und das Herunterklappen des Spiegels.

Beim Bild_222.jpg sieht man noch einmal vergrössert, bei der unteren Kurve auf der linken Seite die Erschütterung durch das öffnen des Verschlusses, dann folgt bei der oberen Kurve der Impuls des Blitzes und gleich danach bei der Unteren Kurve die Erschütterung des sich schliessenden Verschlusses und dem Herunterklappen des Spiegels.

Gut Licht

Kurt
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Beitragvon Peterle-Oth » 27. Aug 2011, 21:07

Sehr interessant dies mal so deutlich und so präziese ausgeführt zu sehen und zu lesen. Wenn ich das richtig verstanden habe wird auch, je kleiner die Pixel sind die Gefahr des Verlustetes von Auflösung (Abgebildetet Zeilenpaare) grösser.
Dh, eine Kamera Vollformat (D3S) 12 Mpixel ist "unempfindlicher gegen diese "Erschütterungsverliste" wie eine D3X 24 MPixel Vollformat? DAs würde auch heissen unter gleichen bedingeungen kann die Auflösung die erreicht wird mit der "kleineren" Kamera höher sein?
Gruß Peter
....und wichtig ist, das es Spass macht....
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Beitragvon ji-em » 27. Aug 2011, 21:26

(Der Inhalt dieses Beitrags wurde auf Wunsch des Benutzers vom Administrator entfernt)
Vergleichen macht vieles klar ... ! :-)
Mein Kommentar wiederspiegelt nur meine momentane, bescheidene, persönliche Meinung.
Bitte, auf kein Fall, persönlich auffassen auch wenn ich mich irreführend mitgeteilt habe.
Ich lese lieber 2-3 aufrichtige, negative Kommentare ... als gar keine ! :-)
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Beitragvon Guppy » 27. Aug 2011, 21:49

Ja,
Eine höhere Anzahl von Pixeln auf einem kleineren Chip bringt auch deshalb nicht mehr Auflösung!
Wenn eine Vollformat Kamera doppelt so grosse Pixel hat wie eine Crop Kamera mit mehreren kleinen Pixel, dann verwischt das Bild auf der Kamera mit den kleinen Pixeln somit auch über mehrere Pixel und es ergibt sich daraus keine höhere Auflösung.
Dies ist vermutlich auch mit ein Grund weshalb professionelle industrie 3 MPixel Kameras mit elektronischem Verschluss so eine erstaunlich gute Auflösung haben.
Betrachtet man ein Bild auf Pixelebene, dann fällt auf, dass unsere viel Pixel Kameras einige Pixel gebrauchen, um eine scharfe Kante von Schwarz auf Weiss abzubilden.

Gut Licht

Kurt
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Beitragvon SunTravel » 28. Aug 2011, 07:29

Hi Kurt,

ja so ist das, je kleiner die Pixel werden umso schwieriger wirds daraus auch einen Vorteil zu ziehen, nicht nur wegen Erschütterung, sondern auch wegen der Beugung.

Blitz auf den 2. Verschlußvorhang ist klar besser, große Pixel sind es auch....

Deshalb hab ich lieber einen möglichst großen Sensor.

Ein mechanischer Verschluss wird immer das Problem der Erschütterung haben, elektronische Verschlüsse haben andere qualitätsmindende Probleme...

Aber zum Glück ist absolute Schärfe ja nicht alles was ein gutes Foto ausmacht ;-)

Gruß

Uwe
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Beitragvon bnormal » 28. Aug 2011, 10:19

Hallo Kurt,

ein interessanter Beitrag. Vielen Dank dafür. Spielt das Schließen des Verschlusses auch eine Rolle, oder fragt die Elektronik den Chip vorher ab?

Gruß
Bernd
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Beitragvon SunTravel » 28. Aug 2011, 10:24

Die Belichtung wird durch den Verschluss beendet, erst danach wird ausgelesen bei DSLRs.

Das Ausschwingen des Verschlußschließens hat dann keinen Einfluss mehr auf die Schärfe, evtl. noch minimal die Anfangsbeschleunigung.

Gruß

Uwe
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Beitragvon Guppy » 28. Aug 2011, 10:32

Hallo Bernd
Da ich nicht genau weiss, wann der Verschluss ganz geschlossen ist kann ich darüber nicht viel sagen. Auch beim Schliessen entsteht eine Erschütterung, da der Verschluss aber schnell schliesst, wackelt die Kamera vermutlich zur Hauptsache dann, wenn er schon geschlossen ist.
So wird auch das Spiegel herunterklappen erst erfolgen, wenn der Verschluss geschlossen ist.
Es gibt doch noch einige offene Fragen!

Gut Licht

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Beitragvon Corela » 28. Aug 2011, 12:02

Hallo,

im ersten Moment habe ich gedacht:
Es ist ein Wunder, dass Bilder überhaupt scharf werden.
Als Geschwindigkeitsmerkmal "dreifache Schneckengeschwindigkeit" anzugeben ist einfach genial :lol:
Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass Bildschärfe nicht messbar ist genausowenig wie Hitze.
Bildschärfe setzt sich aus 3 Faktoren zusammen: Auflösung, Kontrast und Konturenschärfe.
Es erschüttert mich, welchen hohen Einfluss Erschütterungen aller Art in meinem System auf den Schärfeeindruck haben.
lG
Conny


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Beitragvon nurWolfgang » 28. Aug 2011, 16:24

Hallo Kurt

Da bin ich ja froh das ich keinen Spiegel habe und ich Freihand fotografiere da wackel ich sowieso mehr als der Auslöser, daher muss ich mir keine Gedanken zu machen.
Mit Beugungsunschärfe ist sicher gemeint das wenn ich gebeugt Fotografiere ich stärker zittere und wackele als Grade aufgerichtet, oder im liegen :D

Im Ernst, Danke für die Ausführungen, sehr aufschlussreich, sehr gut erklärt.

Gruß

Wolfgang
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