Hallo zusammen,
Spinnen laufen einem ja häufiger in allen Lebensstadien über den Weg, manchmal auch mit Kokons oder Jungen oder Männchen die um Weibchen werben. Die Paarung hingegen bekommt man weniger häufig zu Gesicht. Ich selbst habe am Freitag meine 3. Spinnenpaarung beobachten können und war wieder sehr fasziniert.
Es handelt sich hier vermutlich um die Kugelspinne Enoplognatha ovata. Es gibt allerdings eine Schwesterart, Enoplognatha latimana, die optisch nicht 100%ig von dieser zu unterscheiden ist.
Es gibt verschiedene Farbformen, die früher als eigene Arten betrachtet wurden. Heute weiß man, dass alle Formen einer Art angehören. Man hat aber die alten Bezeichnungen beibehalten. Die Form, die ich beobachtet habe, mit den zwei roten Streifen auf dem Abdomen, nennt man Redimida-Farbform. Es gibt noch Formen mit nur einem breiten roten Streifen oder ganz ohne Rotfärbungen.
Die Paarungsrituale sind bei den meisten Arten sehr komplex ausgefeilt: von Brautgeschenken (zB. Listspinne) über Klopf- oder Zupfsignale (zB Wolfsspinnen oder Kreuzspinnen) bis hin zu regelrechten Balztänzen (Springspinnen) sind zahlreiche Methoden vertreten, die aggressive Angriffe des Weibchens und somit den möglichen vorzeitigen Tod des Männchens vor der Befruchtung verhindern sollen. Und entgegen der landläufigen Meinung kommen die meisten Spinnenmännchen auf diese Weise unbeschadet aus einer Paarungssituation heraus. Es gibt nur wenige Arten, bei denen das Männchen regelmäßig verspeist wird (hierzulande zB. die Wespenspinnen). Die Gefahr ist dennoch bei jeder Art immer latent vorhanden.
Die Paarung habe ich in Ostvorpommern am 20.07.2012 auf einer extensiv genutzen Grünfläche bei bewölktem Abendhimmel gesehen. Aufgenommen mit Canon EOS 600D und Tamron 90.
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gefährliche Liebschaften
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gefährliche Liebschaften
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Blende: 2.8
ISO: 250
Hat das Männchen das Gespinst eines Weibchens aufgespürt, beginnt es zunächst in einem typischen Muster am Netz zu zupfen. Auf diese Weise hebt sich das Mänchen von Vibrationen durch eventuelle Beutetiere ab und minimiert somit das Risiko einer Attacke durch das Weibchen. - Enoplognatha ovata Paarung1.jpg (275.08 KiB) 1660 mal betrachtet
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ISO: 400
Danach wagt sich das Männchen in das Reich des Weibchen hinein und nähert sich vorsichtig an, bis es behutsam körperlichen Kontakt zum Weibchen herstellen kann. Sehr sanft berührt es dann mit einem Vorderbein ein Bein des Weibchens. Reagiert es nicht, tastet sich das Männchen langsam weiter, bis es auch den Hinterleib des Weibchens vorsichtig betastet. - Enoplognatha ovata Paarung2.jpg (405.07 KiB) 1661 mal betrachtet
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ISO: 400
Irgendwann wird das Weibchen reagieren indem es sich zum Männchen umdreht und auf ihn zukommt. Geschieht das zu plötzlich, reagiert das Männchen zunächst mit Flucht aus dem Netz und nähert sich dann sehr vorsichtig wieder an, indem es zunächst wieder über die Beine Kontakt aufnimmt. - Enoplognatha ovata Paarung3.jpg (401.04 KiB) 1660 mal betrachtet
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ISO: 400
Sich frontal an das Weibchen anzunähern erfordert vom Männchen viel Mut. Daher achtet es genau auf das Zeichen des Weibchens, dass mit rhytmischen Zuckungen (dabei wird der Körper mehrmals hintereinander in schneller Folge ein wenig angehoben und wieder gesenkt) seine Paarungsbereitschaft signalisiert. - Enoplognatha ovata Paarung4.jpg (306.31 KiB) 1660 mal betrachtet
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ISO: 800
Jetzt handelt das Männchen zügig. Von vorne nähert es sich dem Hinterleib und führt nun abwechselnd seine Taster (diese tragen das Sperma) in die Geschlechtsöffnung des Weibchens ein. Dabei greift ein Schlüssel-Schloss-Prinzip, dass die Hybridisierung verschiedener Arten verhindert. Taster des Männchens und Epigyne des Weibchens sind in der Regel artspezifisch aufeinander abgestimmt. Auch die beiden Schwesterarten lassen sich letztlich am Bau der Geschlechtsorgane sicher auseinanderhalten.
Bei dieser Art dauert die Paarung mit den eingeführten Tastern letztlich nur wenige Minuten. Bei Zitterspinnen habe ich eine Paarung beobachtet, die mindestens 2 Stunden dauerte. Bei Kreuzspinnen dauerte eine Tastereinführung nur wenige Sekunden. - Enoplognatha ovata Paarung5.jpg (388.59 KiB) 1665 mal betrachtet
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Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.
- wolfram schurig
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- Vorname: Wolfram
Klasse Doku, Anja!
Da haben wir ja jetzt eine richtige Spinnenfee im Forum...
LGr
Wolfram
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Wolfram
Hast Du eine interessante Beobachtung gemacht? Weißt Du etwas, was wir auch wissen sollten? Dann teile es mit uns und schreibe hier
- cleo
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- Vorname: christina
Hi Anja,
eine ganz großartige Doku zeigst Du hier in toller Bildqualität. Vielen Dank auch für die umfangreichen Infos, die ich geradezu "verschlungen" habe.
Die Makrofotografie hat mich nicht nur von meiner Arachnophobie erfolgreich kuriert - inzwischen werden diese absolut faszinierenden Geschöpfe mehr und mehr zu meinen Lieblingsmodels.
Viell. hast Du "Spinnenfee" ja nen Fachliteraturtipp für mich
Liebe Grüße
Christina
eine ganz großartige Doku zeigst Du hier in toller Bildqualität. Vielen Dank auch für die umfangreichen Infos, die ich geradezu "verschlungen" habe.
Die Makrofotografie hat mich nicht nur von meiner Arachnophobie erfolgreich kuriert - inzwischen werden diese absolut faszinierenden Geschöpfe mehr und mehr zu meinen Lieblingsmodels.
Viell. hast Du "Spinnenfee" ja nen Fachliteraturtipp für mich
Liebe Grüße
Christina
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- Vorname: Anja
Hi Christina,
liest du auch englisch? Die besten wissenschaftlichen Sachen sind halt meist auf englisch. Ein wirklich empfehlenswertes aktuelles Buch (2011) ist "Spider Behaviour: Flexibility and Versatility" von Herberstein. Man erfährt hier sehr viel, was man nicht für möglich gehalten hätte und auch nicht überall zu hören bekommt, zum Beispiel über das Lernverhalten von Spinnen. Wenn es um Bestimmungsliteratur geht, ist der Bellmann aktuell sicherlich das beste was man bekommen kann.
Um eine Basis zu schaffen und sich die Grundlagen anzueignen empfiehlt sich zum Beispiel "Biologie der Spinnen" (Foelix).
Ein Buch, welches ich mir auf jeden Fall mal noch zulegen will ist folgendes: Spinnen, die erfolgreiche Jäger
Soll wirklich gut gemacht sein, wenn man über ein paar kleine Bezeichnungsfehler hinwegsieht.
liebe Grüße
Aj
liest du auch englisch? Die besten wissenschaftlichen Sachen sind halt meist auf englisch. Ein wirklich empfehlenswertes aktuelles Buch (2011) ist "Spider Behaviour: Flexibility and Versatility" von Herberstein. Man erfährt hier sehr viel, was man nicht für möglich gehalten hätte und auch nicht überall zu hören bekommt, zum Beispiel über das Lernverhalten von Spinnen. Wenn es um Bestimmungsliteratur geht, ist der Bellmann aktuell sicherlich das beste was man bekommen kann.
Um eine Basis zu schaffen und sich die Grundlagen anzueignen empfiehlt sich zum Beispiel "Biologie der Spinnen" (Foelix).
Ein Buch, welches ich mir auf jeden Fall mal noch zulegen will ist folgendes: Spinnen, die erfolgreiche Jäger
Soll wirklich gut gemacht sein, wenn man über ein paar kleine Bezeichnungsfehler hinwegsieht.
liebe Grüße
Aj
Wer an allem zweifelt sollte darauf achten, dass gesunde Skepsis nicht bald zur blinden Paranoia wird.
- Gabriele
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- Registriert: 30. Mär 2012, 20:54 alle Bilder
- Vorname: Gabriele
Hallo Anja,
eine schöne Doku mit sehr guten Bildern und einem interessanten
Text. Spinnen faszinieren mich auch sehr (mein erstes Makro war
von einer Spinne), schon allein darum danke ich dir für diesen
Thread
Das sich Spinnen auf diese Art paaren habe ich noch nicht
gewusst. Sehr informativ!
LG Gabriele
eine schöne Doku mit sehr guten Bildern und einem interessanten
Text. Spinnen faszinieren mich auch sehr (mein erstes Makro war
von einer Spinne), schon allein darum danke ich dir für diesen
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gewusst. Sehr informativ!
LG Gabriele
- Benjamin
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